Politik

Der Stuhl unter Präsident Kutschma wackelt [ Abstract ]
Nur mit Visum aus Rußland nach Rußland? [ Volltext ]
Die politischen Parteien und die Macht im Kreml [ Abstract ]
Reformen à la Alijew zur Absicherung der Macht [ Abstract ]

aus WOSTOK SPEZIAL: Usbekistan - Politik, Gesellschaft, Kultur
 
Vom starken Staat zu einer starken Gesellschaft [ Abstract ]
Welche Vorteile bringen zwei Kammern im Parlament [ Abstract ]
Extremismus und Terrorismus sind eine Sorge Usbekistans [ Abstract ]
Zusammenschluß gegen den Nuklearterrorismus [ Abstract ]
Probleme der Integration in Zentralasien [ Abstract ]
Usbekistan und die Shanghai Organisation für Zusammenarbeit [ Volltext ]

Der Stuhl unter Präsident Kutschma wackelt
von
Juri Durkot, Journalist, Lwiw


In der Ukraine gingen 50.000 Menschen auf die Straße, um den Rücktritt des Präsidenten zu fordern
 
Seit Wochen überschlagen sich in der Ukraine die Ereignisse. Die Opposition mobilisiert ihre Anhänger zu Großdemonstrationen, Medienvertreter wehren sich gegen behördlichen Druck und Zensur. Die Macht scheint die Kontrolle über die Prozesse zu verlieren, zumal sie in der Werchowna Rada keine stabile Mehrheit zusammenbekommt. Zudem steht Präsident Kutschma wegen angeblicher illegaler Waffenlieferungen an den Irak im Kreuzfeuer der inländischen und internationalen Kritik. Wird die vom Präsidenten Ende August angekündigte Verfassungsreform da noch durchgesetzt?
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Nur mit Visum aus Rußland nach Rußland?

von
Dr. Wladimir Miljutenko, Journalist, Moskau


Ab Januar 2003 führt Litauen, ab Juli 2003 Polen die Visumspflicht für russische Bürger ein. Für die Bewohner der russischen Exklave Kaliningrad will man besondere Regelungen finden. Diskutiert wird über verbilligte Visa, auch Mehrfachvisa, über besondere Paßeinlagen oder Magnetkarten. Für Rußland ist eine solche "Zweiklassen"-Behandlung seiner Bürger nicht akzeptabel. Moskau erwartet zu Recht, daß eine umfassende und praktikable Lösung gefunden wird, die eine Ungleichbehandlung seiner Bürger ausschließt. Aber die Zeit drängt, und vor dem im November anstehenden Rußland-EU-Gipfel ist man von einer Lösung weit entfernt.

Ob Präsident, Diplomat, Parlamentsabgeordneter, Regionalpolitiker oder der kleine Mann auf der Straße - die Diskussion um die Zukunft Kaliningrads ist in Rußland allgegenwärtig. Radio, Fernsehen und Presse haben das Thema aufgegriffen und in die ersten Nachrichtenblökke und auf die ersten Seiten gebracht und so die Öffentlichkeit alarmiert. Nun ist der "Russische Bär" los.

Die Situation schreit geradezu nach klärenden, durchgreifenden Maßnahmen. Ab 1. Januar 2003 führt Litauen die Visapflicht für den Transit aus Rußland nach Kaliningrad respektive aus der Exklave ins "Mutterland" ein. Ab dem 1. Juli zieht dann Polen nach. Damit wird das Problem der 1,3 Millionen Einwohner Kaliningrads zum Problem für 140 Millionen russische Bürger. Und nicht nur für diese.

Wenn man nicht rechtzeitig, dabei gerecht und mit Rücksicht auf alle Nachbarn der russischen Exklave handelt, verlieren in den angrenzenden Gebieten Polens nach unterschiedlichen Schätzungen etwa 50000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Außerdem werden sich die russisch-litauischen und die russisch-polnischen Gemeinschaftsunternehmen, die in ihrer Tätigkeit unmittelbar auf den Warentransit angewiesen sind (in jedem Land sind dies rund 500!), fieberhaft den neuen Bedingungen anpassen müssen. Statistisch gesehen reisen Polen und Litauer viermal öfter nach Kaliningrad als die Exklavebewohner zu ihnen.

Im November dieses Jahres soll nun während des geplanten Rußland-EU-Gipfels eine endgültige Lösung für dieses Problem gefunden und verabschiedet werden. Doch von westlicher Seite ist bisher nur ein Vorschlag der EU-Kommission auf dem Tisch, und der läßt wenig Raum für Optimismus. Danach würde den Kaliningradern ein exklusiver Status samt besonderer Reiserechte eingeräumt, nicht aber allen anderen Russen. Die Kaliningrader würden für die Reise nach "Groß"-Rußland in einem vereinfachten Verfahren besondere verbilligte Visa ausgestellt bekommen, während jemand, der aus irgendeinem anderen Ort der Russischen Föderation in diesen Teil des ehemaligen Ostpreußens reisen möchte, ein normales EU-Visum beantragen muß.

Diese Idee ist für Rußland nicht akzeptabel - und dafür gibt es triftige Gründe.

Erstens kann Rußland eine De-facto-Teilung seines souveränen Staatsgebietes hinsichtlich der Reisefreiheit für alle Bürger, inklusive der von Kaliningrad, nicht zulassen. Schließlich würde damit das in der Verfassung garantierte Grundrecht auf Reisefreiheit innerhalb der Föderation verletzt.

Polen und Litauen werden im nächsten Jahr eine Visapflicht für Russische Bürger einführen. Für die Bewohner des Kaliningrader Gebiets sollen Sonderregelungen gefunden werden. Nach Ansicht Rußlands wird damit das freie Reiserecht innerhalb Rußlands mißachtet
 
Würde der Vorschlag der EU russischerseits angenommen, so würde dies alle Reisen Richtung Kaliningrad für russische Bürger erschweren und vor allem natürlich verteuern. So kann sich zum Beispiel heute ein Rentner aus Smolensk, dessen Familie in Kaliningrad lebt, einfach mit seinem normalen Ausweis in den Zug setzen und in die Kant-Stadt fahren. Sollte jedoch die Visumspflicht eingeführt werden, scheint es wenig wahrscheinlich, daß ein flächendeckendes Netz konsularischer Vertretungen in der ganzen Russischen Föderation eingerichtet wird. Dies bedeutet, daß der Bürger aus Smolensk erst einmal nach Moskau fahren muß, um dort nach einigen Tagen des Wartens und Anstehens sein Visum zu erhalten, dann muß er zurück nach Smolensk fahren und erst dann kann er nach Kaliningrad reisen. Denkt man die niedrigen Renten in Rußland, so werden die geplanten Gebühren für das Visum quasi zu einem Sperrzoll. Zudem würde das Konsulat Litauens mit Anträgen überflutet. Schätzungen gehen von bis zu 1200 Anträgen täglich aus.

Drittens sind die Kompromißlösungen des Schengener Vertrages, mit denen man auch eine allgemeine Visapflicht mit Rußland ersetzen könnte, bei uns bestens bekannt. Da gibt es beispielsweise zwanzig Länder, die in Schengen nicht unterzeichnet haben, und dennoch genießen ihre Bürger für maximal zwei Monate freie Einreise in die Schengener Staaten (eine Arbeitsgenehmigung erhalten sie jedoch nicht). Darunter sind Nicaragua, Salvador und Guatemala. Auch für Israel und Rumänien gelten jeweils gesonderte Regelungen. Andorra und San Marino fühlen sich in Europa gut aufgehoben, und die Schweiz, die kein EU-Mitglied ist, hat durch bilaterale Verträge mit den EU-Mitgliedsländern für ihre Bürger freies Reiserecht in Europa erwirkt. Da müssen sich die Russen doch fragen, was sie zu schlechteren Menschen macht.

Viertens ist Rußland der Meinung, daß der freie Transit für die Versorgung der in Kaliningrad stationierten Militärs, die für das Land wichtige strategische Punkte kontrollieren, absolut notwendig ist.

Und fünftens schließlich hat Rußland bereits mit vereinzelten Fällen von Separatismus im Gebiet Kaliningrad zu kämpfen. Für Ende 2002 plant die Baltische Republikanische Partei ein Referendum über die folgende Frage: Sind Sie der Meinung, daß das Gebiet Kaliningrad ein eigenständiger Staat werden soll? Es werden sogar schon mögliche Namen für dieses neue Subjekt des internationalen Rechts diskutiert - so zum Beispiel "Baltische Republik" oder "Bernsteinmark", das wäre russisch "Jantarnii Krai" - mit der Hauptstadt Königsberg.

Derlei Stimmungen werden natürlich durch die in der EU populäre Idee, Kaliningrad zu einem selbständigen Subjekt des internationalen Rechts zu machen, zusätzlich geschürt. Auf diese Weise wären die Kaliningrader nicht mehr die "fünfte Kolonne" innerhalb Europas, so heißt es. Und die EU könnte Kaliningrad endlich direkt helfen - das heißt ohne den Umweg über Moskau, das in bezug auf die Verteilung von Finanzmitteln bei den EU-Beamten seit jeher einen eher zweifelhaften Ruf genießt. Der Westen verfolgt in der Tat aufmerksam alles, was mit der "Selbstbestimmung" der Kaliningrader Bürger zu tun hat.

Rußland und Europa müssen nun diesen harten Knoten lösen, um folgende wichtige Frage zu beantworten: Wie kann man die Effektivität der Schengener Verträge mit der Menschenwürde der russischen Bürger vereinbaren?

Erst vor kurzem hat Europa etwas erstaunt aus dem Munde des französischen Präsidenten Jacques Chirac vernommen, daß nicht die Einführung der Visapflicht die Lösung sein dürfe, sondern es vielmehr eine Alternative dazu geben müsse. Es müßten nur die entsprechenden technischen Regelungen dafür gefunden werden. Die Behörden Litauens sind beispielsweise der Meinung, daß man spezielle Magnetkarten ausgeben könnte. Auch wird über kostenlose Mehrfachtransitvisa nachgedacht, die für einen Zeitraum von fünf Jahren ausgestellt werden. Allerdings - auch diese Vorschläge gelten nur für Kaliningrader, nicht aber für alle Russen.

Auch Präsident Wladimir Putin hat Ideen. Die einfachste Lösung, so der russische Präsident, könnte ein System sein, wie es ab Mitte der 70er Jahre zwischen Westberlin und der Bundesrepublik funktionierte. Damals wurden für den Gütertransport zwischen der Bundesrepublik und Berlin (West) plombierte Container eingesetzt. Die Passagiere saßen in durchgehenden Zügen beziehungsweise Bussen, die zwischen der Grenze und Westberlin nur an festgelegten Stellen einen Stopp einlegten. Wer mit dem Pkw reiste, nutzte festgelegte Straßen beziehungsweise Autobahnen, die nicht verlassen werden durften. Warum sollte eine solche Lösung nicht für das Kaliningrader Gebiet gefunden werden können? Diese Position scheint in Europa niemand wahrnehmen zu wollen.

Vor einigen Wochen hat Wladimir Putin den Vorschlag über den Einschluß Rußlands in das Schengen-Abkommen vorgelegt - dabei nicht nur für die Kaliningrader, sondern für alle Bürger der Russischen Föderation. Der Vorschlag ist sicherlich ambitioniert, er scheint aber wenig real zu sein.

Natürlich kann Rußland die Sorgen des Westens nicht ignorieren. Es ist ja nicht so, daß die EU durch die neu hinzugekommenen Staaten den Transit zwischen der Exklave und dem restlichen Rußland kontrollieren, sondern vor allem den Verkehr von Ausländern durch Polen und Litauen regeln will. Denn als größte Gefahr für die Grundprinzipien der europäischen Länder gilt ihnen die illegale Einwanderung, vor der es sich zu schützen gilt.

Beim letzten EU-Gipfel in Sevilla wurde deshalb auch ohne Umschweife verkündet, daß man im Jahre 2002 in der Bundesrepublik Deutschland mit einer halben Million zugewanderter "unerwünschter Elemente" rechnen müsse, sollten die Kontrollstellen an den Autobahnen, den Bahnhöfen sowie den Flug- und Seehäfen weiterhin nicht genutzt werden. Man geht davon aus, daß etwa die Hälfte der unerwünschten Zuwanderer versuchen werde, in Deutschland zu bleiben. Dabei weiß man, daß im Jahre 2001 in der Bundesrepublik eine halbe Million Arbeitsplätze abgebaut wurde. Das Verschieben von "billigen Arbeitskräften" ist zu einem profitablen Geschäft geworden, das vor allem durch Polen und Kaliningrad abgewickelt und von der organisierten Kriminalität kontrolliert wird.

Ebenfalls stören sich die Europäer daran, daß die kriminelle Wirtschaft ihre Hände tief im Gebrauchtwagen-, Alkohol- und Zigarettenhandel stecken hat.

Die Träume von einem "europäischen Hongkong" - dieser Begriff fiel im Zusammenhang mit der Entwicklung Kaliningrads - werden sich wohl nicht allzu bald erfüllen. Die westeuropäischen Pläne, man solle Kaliningrad in "freie Fahrt" entlassen, würden den Startschuß für den Zerfall der Russischen Föderation geben. Nicht umsonst hat der Moskauer Oberbürgermeister Juri Luschkow in Kaliningrad eigenhändig den Grundstein für ein neues Wohnhaus der Angehörigen der Seestreitkräfte gelegt - dieses Gebiet wird Rußland niemals jemandem abgeben.

Doch auch Rußland muß sich auf der Suche nach Kompromissen bewegen. Viele Militärangehörige müssen jetzt schnell mit Reisepässen versorgt werden. Da ohnehin alle Russen gerade ihre alten sowjetischen Pässe gegen die neuen russischen umtauschen müssen, könnte man diese Ausweise bereits für den visafreien Transit nutzen. Würde man in den Eisenbahntickets obligatorisch die Paßnummer eintragen, wäre ein jeder Reisende leicht zu identifizieren. In jeden Fall müssen den in Europa geltenden Standards entsprechende maschinenlesbare Dokumente eingeführt werden, ob dies nun besondere Paßeinlagen oder Plastikidentitätskarten sind.

Ohne die Regelung einiger wichtiger sozialer und wirtschaftlicher Fragen wird man schon gar nicht weiterkommen. Premierminister Michail Kassjanow hat angeordnet, daß bis zum Herbstbeginn alle russischen Minister das Gebiet Kaliningrad besucht haben müssen. In zwei Jahren soll in Kaliningrad das zweite Elektrizitätswerk fertig sein, die neue Fährlinie von Kaliningrad nach St. Petersburg ist bereits in Betrieb. Und ab 2005 soll eine weitere Fährverbindung nach St. Petersburg den Betrieb eröffnen.

Das Schicksal des Kaliningrader Gebiets ist für Rußland von äußerster Wichtigkeit. Für die Russen geht es hierbei um die Zukunft ihres Landes. Und das ist keinesfalls eine Frage von Logistik, sondern eine Frage des Prinzips. Es ist nach dem Mauerfall die nächste historische Wahl, die es zu treffen gilt. Man möchte nicht weiterhin die Monster-Enklave innerhalb der zivilisierten Welt sein. Man träumt davon, daß auch Europa für die russische Exklave nicht weiterhin "Ausland" bleiben wird.
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Die politischen Parteien und die Macht im Kreml

von
Grigori Melamedow, Politologe, Moskau


Mit dem neuen Gesetz "Über die Parteien" soll, so vermuten viele, der Status quo in der Duma bewahrt werden
 
Alle Parteien, die an den nächsten föderalen Wahlen teilnehmen wollen, müssen sich im Justizministerium neu registrieren lassen und dabei unter Beweis stellen, daß sie die strengeren Vorgaben des im Juli 2001 in Kraft getretenen Parteiengesetzes auch erfüllen. Über die Registrierung beziehungsweise Registrierungsverweigerung einzelner Parteien wird in den Medien wie unter Fachleuten heftig diskutiert. Für viele scheint klar, daß das Justizministerium bei seinen Entscheidungen den Direktiven des Kreml folgt, der das Kräfteverhältnis in der Duma bewahren will.
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Reformen à la Alijew zur Absicherung der Macht

von
Juri Durkot, Journalist, Lwiw


Die Bevölkerung Aserbaidschans hat sich nach elf Jahren Unabhängigkeit von der Politik abgewandt
 
Mit dem Referendum vom 24. August 2002 hat Präsident Alijew einige wichtige Verfassungsänderungen durchgesetzt, die seine Macht stärken und sich als bedeutsam für seine Nachfolge erweisen könnten. Opposition und internationale Beobachter beschuldigen allerdings die Führung des Landes, die Ergebnisse des Referendums gefälscht zu haben. Seit dem Referendum zeichnet sich aber eine Veränderung der Situation ab. Denn die oppositionellen Parteien haben sich zusammengeschlossen und mobilisieren ihre Anhänger zu Massenprotesten.
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Großes Spezial: Usbekistan - Politik, Gesellschaft, Kultur

Das Weltinteresse, in dessen Mittelpunkt seit dem 11. September 2001 Afghanistan und Zentralasien gerückt waren, hat sich längst neuen Themen zugewandt. Für uns um so mehr ein Grund, das Spezial dieser Ausgabe einem direkten Nachbarn Afghanistans - der Republik Usbekistan - zu widmen. Das Länderspezial befaßt sich mit Fragen der innen- und Außenpolitik, doch auch Geschichte, Kunst und Kultur kommen nicht zu kurz.
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Vom starken Staat zu einer starken Gesellschaft
von
Muchamedali Asisow, Asis Juldaschew, Mitarbeiter der Akademie für staatlichen und gesellschaftlichen Aufbau beim Präsidenten, Taschkent


Die ersten Jahre der Unabhängigkeit waren von einer starken Zentralisierung der Staatsmacht und der Wirtschaft geprägt. Nach dem Verständnis der usbekischen Führung hatte die Zentralisierung angesichts der zu bewältigenden Probleme und Aufgaben - Schaffung eines staatlichen Fundaments, Sicherung der Souveränität und der territorialen Integrität - ihre Berechtigung. Angesichts der Globalisierungstendenzen wird auch in Usbekistan über eine stärkere Dezentralisierung der Wirtschaft und der Staatsführung nachgedacht. Mit dem Programm "Vom starken Staat zur starken Gesellschaft" will die Staatsmacht die Demokratisierung des Staatsaufbaus vorantreiben. Befugnisse sollen bis hinunter auf die Ebene der lokalen Selbstverwaltung übertragen werden.
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Welche Vorteile bringen zwei Kammern im Parlament

von
Osod Chussanow, Dr. iur., Professor für Rechtswissenschaften, Taschkent


In einem Referendum sprachen sich die Bürger Usbekistans für die Einführung eines Zweikammernparlamentes aus
 
Im Referendum im Januar 2002 war die usbekische Bevölkerung unter anderem aufgefordert, über die Einführung eines Zweikammernparlaments in der Republik abzustimmen. Die Mehrheit sprach sich für die Umstrukturierung aus, nun wird die Einführung des Zweikammernparlaments gesetzlich vorbereitet. Die usbekische Führung verspricht sich von diesem Schritt eine Professionalisierung der parlamentarischen Arbeit und eine stärkere Vertretung der Regionen. Das Unterhaus des Parlaments wird in Zukunft 120 Abgeordnete haben, das Oberhaus, der Senat, wird sich aus 94 Senatoren zusammensetzen, von denen sechzehn direkt vom Präsidenten berufen werden.
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Extremismus und Terrorismus sind eine Sorge Usbekistans

von
Schafoat Narullajewa, Doktor der Philosophie, Abteilungsleiterin am Institut für strategische und regionale Forschungen beim Präsidenten der Republik Usbekistan, Taschkent


Die Profite aus illegalen Waffen- und Drogenhandel fließen auch in die Finanzierung terroristischer Gruppen
 
Wichtig für die Stabilität in der Welt ist die Definition des Begriffs "Sicherheit" - der nationalen, der regionalen wie auch der globalen. Denn interne oder auch regionale Konflikte werden über die Grenzen des jeweiligen Landes oder einer Region hinausgetragen und beeinflussen so die Situation auch in nicht unmittelbar angrenzenden oder betroffenen Staaten. Usbekistan benennt drei heute noch von Afghanistan ausgehende Gefahren als die größten Bedrohungen von Sicherheit und Stabilität im eigenen Land und in der zentralasiatischen Region: internationaler Terrorismus, illegale Drogengeschäfte und die Flüchtlingsproblematik, wobei der Terrorismus und der Drogenhandel in wechselseitigem Zusammenhang stehen. Die eigentlichen Aufgaben zur Befriedung der Situation in Afghanistan stehen noch bevor.
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Zusammenschluß gegen den Nuklearterrorismus

von
Tomuchammad Satiboldijew, Sektionsleiter am Institut für strategische und interregionale Forschungen beim Präsidenten der Republik Usbekistan, Taschkent


Viel wurde darüber diskutiert, ob der Terrorakt vom 11. September 2001 den Beginn einer ganzen Serie ähnlicher oder nach schlimmerer Terroranschläge markiert. In Usbekistan wird mit großer Sorge betrachtet, welche Gefahren vom Nuklearterrorismus ausgehen könnten. Um dieser Gefahr zu begegnen, sind ein enges Zusammenwirken der internationalen Staatengemeinschaft, die strikte Befolgung des Abkommens über die Nichtverbreitung von Atomwaffen und Nukleartechnologien und ein effizientes System der Exportkontrolle unerläßlich.
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Probleme der Integration in Zentralasien

von
Golib Nematow, Institut für strategische und zwischenstaatliche Forschungen beim Präsidenten der Republik Usbekistan, Taschkent


Politisch und wirtschaftlich ist die Integration ein ojektiv notwendiger Prozeß
 
Über die Integration im gesamten postsowjetischen Raum sowie einzelner Großregionen wird im Prinzip seit dem Zerfall der UdSSR diskutiert. Auch in der zentralasiatischen Region gewinnen die Integrationsbestrebungen an Dynamik. Mußten die fünf Republiken, von denen keine auf die Erfahrung einer eigenen Staatlichkeit in den heutigen Grenzen zurückgreifen konnte, zunächst ihre nationale Staatlichkeit definieren, schaffen und sichern, so lassen sich heute Annäherungen beobachten. Dies ist ein objektiv notwendiger Prozeß, wie Beobachter und Akteure meinen, denn die traditionellen Verzahnungen zwischen den Staaten sind eng und viele Probleme kann keines der Länder im Alleingang lösen.
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Usbekistan und die Shanghai Organisation für Zusammenarbeit

von
Ablat Hodschajew, Doktor der Geschichte, Abteilungsleiter am Institut für strategische und interregionale Forschungen beim Präsidenten der Republik Usbekistan, Taschkent


Mit dem Beitritt Usbekistans zur "Shanghai Fünf" im Juni 2001 benannte sich die Organisation um in Shanghai Organisation für Zusammenarbeit, der nunmehr sechs Länder - China, Kasachstan, Kyrgysstan, Rußland, Tadschikistan und Usbekistan - angehören. Nachdem die "Shanghai Fünf" ihre eigentlichen Aufgaben - nämlich Truppenreduzierung an den Grenzen, Beilegung der Grenzstreitigkeiten und Festlegung der Grenzen - gemeistert hatte, rückten neue Aufgaben und Ziele, darunter Sicherheitsfragen in der euroasiatischen Region und der Ausbau der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen, in den Vordergrund. Auch will die Organisation einen Beitrag im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und Extremismus leisten.

Die geopolitische Lage in und um Zentralasien zeigt, daß Rußland und China nach den Ereignissen vom 11. September 2001 einige Korrekturen an ihrem außenpolitischen Kurs vorgenommen haben. Doch bleibt für diese beiden Staaten und für die zentralasiatischen Republiken die Schaffung eines stabilen Sicherheitssystems im riesigen euroasiatischen Raum nach wie vor eine der vordringlichsten Aufgaben. Sie könnten dann nämlich die regionalen Prozesse in eine für sie günstige geopolitische Richtung lenken.

Unter diesem Gesichtspunkt kommt der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (ShOZ) eine Schlüsselrolle zu. Denn sie ermöglicht ihren Mitgliedern, die regionalen politischen und wirtschaftlichen Aufgaben zu schultern und gleichzeitig ihre geopolitischen Interessen in Zentralasien durchzusetzen. Jedenfalls übertragen die Mitglieder der ShOZ ihr diese Funktionen und hoffen, daß ihr Vertrauen gerechtfertigt wird. Die Gewährleistung der Sicherheit in Zentralasien sowie der Aufbau gleichberechtigter politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen sind die gemeinsamen Aufgaben der Mitgliedsländer der ShOZ.

Sicherheitsfragen und der Ausbau der Beziehungen in alle Richtungen stehen heute auf dem Programm der Shanghai Organisation
 
Die Shanghai Organisation für Zusammenarbeit trat die Nachfolge der "Shanghai Fünf" an, die auf der Grundlage von zwei Abkommen - vom 26. April 1996 in Shanghai und vom 24. April 1997 in Moskau - über vertrauensbildende Maßnahmen im militärischen Bereich und über die Waffenreduzierung in den Grenzgebieten gebildet worden war. Unter die Abkommen hatten der chinesische Staatschef Jiang Zemin, der damalige russische Präsident Boris Jelzin, der Präsident Kasachstans Nursultan Nasarbajew, der Präsident Kyrgysstans Askar Akajew und der tadschikische Staatschef Emomali Rachmonow ihre Unterschriften gesetzt. Diese vier postsowjetischen Länder haben gemeinsame Grenzen mit China.

Die "Shanghai Fünf" sah ihre Aufgaben vor allem in der Reduzierung der im sowjetisch-chinesischen Konflikt aufgebauten Militärkontingente in den Grenzgebieten, in der Beilegung der von der Sowjetunion übernommenen territorialen Streitigkeiten und in der Schaffung einer Grundlage für den Grenzhandel. Diese Ziele ergaben sich zwangsläufig aus der nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstandenen neuen geopolitischen Lage. Die wichtigsten Ziele sind heute erreicht: Die Grenztruppen wurden reduziert, obgleich Peking nach Berichten ausländischer Medien Anfang 2002 unter der Berufung auf die Terrorismus- und Extremismusabwehr vier Armeedivisionen mit 40000 Mann an den Grenzen stationiert haben soll.

Im Zuge der Grenzregelungen erhielt China von Kasachstan ein 407 Quadratkilometer großes Hochgebirgsterritorium und von Kyrgysstan ein tausend Quadratkilometer großes Grenzgebiet (was übrigens nicht auf die einhellige Zustimmung der Bevölkerung in beiden Ländern traf). China setzte zudem eine Grundsatzentscheidung in der chinesisch-tadschikischen Grenzfrage durch. Bei seinem Staatsbesuch im Mai 2002 in China einigten sich Präsident Rachmonow und sein chinesischer Gastgeber über eine 519 Kilometer lange neue Grenzmarkierung. Es gibt Informationen darüber, daß die tadschikische Führung ein tausend Quadratkilometer großes Gebiet an die Volksrepublik China abtreten wird.

Usbekistan hat keine gemeinsame Grenze mit China, war also von den Problemen, zu deren Lösung die "Shanghai Fünf" gegründet worden war, nicht betroffen. Aus diesem Grunde trat es dieser Organisation nicht bei, obwohl es mit allen ihren Mitgliedern gutnachbarliche Beziehungen unterhielt.

Beim Gipfeltreffen der "Shanghai Fünf" in Almaty standen neben den schon genannten Aufgaben auch die Untermauerung des Friedens und der Sicherheit in Zentralasien, die Intensivierung der regionalen Wirtschaftskooperation sowie das koordinierte Vorgehen gegen Terrorismus, Extremismus, Separatismus sowie den illegalen Waffen- und Drogenhandel auf der Tagesordnung. Zu allen diesen Fragen gab es auch gemeinsame Erklärungen. Beim Gipfel in Bischkek am 24. August 1998 standen diese Probleme dann bereits im Mittelpunkt der Beratungen. Damit aber war ein neues Niveau in der Zusammenarbeit erreicht, das nun auch den Interessen Usbekistans entsprach.

In den Jahren 1998 bis 2000 hat sich die Situation in Zentralasien von Grund auf gewandelt. Afghanistan wurde zum Zentrum des internationalen Drogenhandels und zur Basis der El Kaida, die sich auf das Talibanregime stützen konnte. So sahen sich Usbekistan und der gesamte zentralasiatische Raum neuen Bedrohungen gegenüber. Deshalb rief Präsident Islam Karimow beim OSZE-Gipfel in der Türkei und bei anderen internationalen Foren immer wieder eindringlich zur Schaffung eines einheitlichen Mechanismus auf, um der globalen Herausforderung des Terrorismus zu begegnen. Vor diesem Hintergrund wurde die Einbeziehung aller internationalen Gremien, darunter der "Shanghai Fünf", zur Abwehr der Terrorismus- und Extremismusgefahr brandaktuell. Seit dem Jahr 2000 nahm Usbekistan dann als Beobachter an Treffen der "Shanghai Fünf" teil, unter anderem am Duschanbe-Gipfel am 4. Juli 2000.

Nach fünfjähriger Erfahrung gelangten die Mitglieder der "Shanghai Fünf" zu dem Schluß, ihr Bündnis könne sich, ebenso wie die GUS, aktiv für die Sicherheitsbelange in Zentralasien einsetzen.

Das sechste Gipfeltreffen der "Shanghai Fünf" wurde für den 14. und 15. Juni 2001 nach Shanghai einberufen. Auch der usbekische Präsident nahm an diesem Gipfel teil und erklärte den Beitritt Usbekistans zur Organisation "Shanghai Fünf", was die Staatschefs der Mitgliedsländer außerordentlich begrüßten. Man beschloß die Umbenennung in Shanghai Organisation für Zusammenarbeit.

Der Terroranschlag vom 11. September 2001 brachte den Beweis, daß Terrorismus, Drogenhandel und religiöser Extremismus globale Dimensionen angenommen haben. Entsprechend müssen alle Länder und internationalen Gremien im Konsens handeln. Der Beitritt Usbekistans zur ShOZ ist in diesem Zusammenhang als Fortschritt anzusehen. Damit will Usbekistan die Stabilität im eigenen Land wie in Zentralasien insgesamt erhöhen, bessere Voraussetzungen für den Wirtschaftsaufschwung in der Republik schaffen und die Festigung seiner Unabhängigkeit für eine noch effektivere Terrorismusbekämpfung nutzen. Usbekistan bleibt jedoch bei seiner Haltung, daß die ShOZ kein militärpolitisches Bündnis sein darf, sondern eine transparente und für andere interessierte Staaten offene Institution bleiben muß.

Wie der usbekische Präsident beim Treffen in Shanghai ausführte, betrachtet Usbekistan dieses Bündnis als einen Mechanismus umfassender Kooperation für die Stärkung des Friedens und der Stabilität sowie für die Intensivierung des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus, den Drogenhandel und den religiösen Extremismus, die eine immens große Gefahr für die Region und die ganze Welt darstellen. Diese Haltung bekräftigte Präsident Karimow nach Unterzeichnung der Charta der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit am 7. Juni 2002 in St. Petersburg.

Als wichtigste Kooperationsfelder sehen die ShOZ- Mitgliedsstaaten die Herstellung eines stabilen Friedens in Afghanistan, die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Zentralasien und die Bewältigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten an.

Usbekistan ist Mitglied vieler internationaler Organisationen, es gehört der Antiterrorkoalition an und unterhält partnerschaftliche Beziehungen zu den USA - geht es ihm doch vor allem um die stabile Sicherheit des Landes und der Region, letztendlich der ganzen Welt. Daher setzt unser Land seine Hoffnung darauf, daß die ShOZ die Erfüllung der Pflichten Usbekistans gegenüber anderen internationalen Organisationen und Ländern nicht behindert, sondern unterstützt.

Gegenwärtig erleben die zentralasiatischen Staaten einen Wirtschaftsaufschwung, wobei die Voraussetzungen, der Stand und das Tempo unterschiedlich sind. Die Republiken haben die Phase der Sättigung ihrer Binnenmärkte mit Importwaren bereits hinter sich. Jetzt bedarf es Investitionen, moderner Technik und Technologien, um die eigene Produktion und den Export anzukurbeln.

Alle Versuche einer Ausweitung der Importe drosseln die einheimische Produktion und haben negative Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung insgesamt. Nur eine ausgeglichene Handelsbilanz kann positive Ergebnisse zeitigen. Auch hier muß die Shanghai Organisation unserer Ansicht nach der Mechanismus zur Regulierung dieses Prozesses, aber auch zur Verhinderung großspuriger Pläne des einen oder anderen Landes sein.

Wie es in der Petersburger Erklärung der Staatschefs der ShOZ-Mitglieder vom 7. Juni 2002 heißt, stützt sich die Shanghai Organisation auf die Prinzipien der gegenseitigen Achtung, der Souveränität und der Unabhängigkeit. Wir hoffen, daß diese Prinzipien eingehalten werden, und möchten zugleich, daß die Shanghai Organisation eine für alle interessierten Staaten offene Organisation ist, die sich nicht von einzelnen Mitgliedern politisch instrumentalisieren läßt.

Neben den schon erwähnten Aufgaben gibt es in Zentralasien eine ganze Reihe weiterer Probleme, deren Lösung für die Stabilität in der gesamten Region große Bedeutung hat. Dazu gehören unter anderem die rationale Nutzung von Naturvorkommen, so der grenzüberschreitenden Flüsse, die Verbesserung der Telekommunikationssysteme und ihre Finanzierung, die Einführung einheitlicher Tarife für Transitfrachten per Schiene und Straße. Ende des 20. Jahrhunderts entstand durch den Zusammenschluß der Bahnlinien Irans und Tadschikistans eine zweite interkontinentale Brücke zwischen Europa und China, die über Kasachstan, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan und den Iran führt. Nach Fertigstellung der Strecke Turfan-Kaschgar wurde der Bau der Brücke Kaschgar-Osch möglich, wodurch der Weg weiter verkürzt wird.

Wenn wir unsere Probleme im Rahmen der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit oder unter ihrer Mithilfe weiter angehen, könnte dies die Integration in Zentralasien beschleunigen und die Sicherheit der Region erhöhen.
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