| ||||||||||
Den Westen rausgeworfen –
Rußland getroffen
von Wladimir Mischin, Experteninstitut, Moskau Weniger kritisch geht man hingegen mit sich selbst um. Daß die Kredite, deren Verwendung vom IWF nicht kontrolliert wurde, dem Ausweichen vor Reformen und der Machtabsicherung Präsident Jelzins dienten, dämmert den Gläubigern nun langsam. Auch die Banken, die insbesondere in die Staatlichen Kurzfristigen Obligationen und die Föderalen Anleihen investierten, rechnen mit Verlusten von bis zu 96 Prozent der investierten Summen. Möglicherweise wird der russische Staat mit einer Prozeßwelle überzogen, wenn er seinen Verpflichtungen gegenüber den ausländischen Investoren nicht nachkommt. Viele russische Banken stehen, nachdem sie sich in ihren Anleihenaktivitäten verspekuliert haben, vor einer Liquiditätskrise und können weder ihre Verbindlichkeiten gegenüber Auslandsbanken noch gegenüber ihren Privatkunden erfüllen. Die Zentralbank versuchte sich im Alleingang in einer Schadensbegrenzung. Auf den Staat, der vollmundig Garantien für die Einlagen der Bürger versprach, scheint kein Verlaß zu sein. Weitere Bankenpleiten, gegebenenfalls auch Enteignungen und Rückführung der Banken unter staatliche Kontrolle, sind zu erwarten. Die zusammenbrechenden Banken überweisen die Zollzahlungen für Importe nicht an die Zollbehörden weiter. So hat das Staatliche Zollkomitee Maßnahmen vorgeschlagen, um die Situation zu entschärfen. Dazu gehören unter anderem die Aufhebung bestimmter Zölle, Barzahlung an der Grenze für Zollgebühren und die Möglichkeit, die Zölle stunden zu lassen. Die Energieträgerproduzenten leiden einerseits unter dem Preisverfall auf den Weltmärkten und dem Zusammenbruch des russischen Aktienmarktes, andererseits erzielen sie aus dem Kursturz des Rubels Gewinne. Sie fordern Steuersenkungen, da sie nicht bereit sind, die russische Industrie allein durch ihre Steuerzahlungen zu alimentieren. Eine Konfrontation zwischen der Primakow-Regierung und den Öl- und Gasunternehmen zeichnet sich ab.
Der Deal umfaßt nicht nur den Umgang mit den inländischen Schuldnern und den eigenen Steuerschulden, sondern auch den mit den GUS-Schuldnern, insbesondere der Ukraine und Belarus. Derzeit hat Gasprom aufgrund der Krise allerdings große Probleme, und auf Kosten von Sozialplänen und der geplanten Anbindung weiterer städtischer und ländlicher Haushalte an das Gasnetz sollen nur noch größere Leitungsbauprojekte verwirklicht werden. Nach dem Zusammenbruch des russischen Aktienmarktes und damit auch des Sturzes der Gaspromaktien versucht der Konzern, durch das Anheizen der Käufe den Preis seiner Aktien nach oben zu drücken, um bei eventuellen Verkäufen von Aktienpaketen einen besseren Preis zu erzielen. Viele Unternehmen haben den Betrieb eingestellt: Entweder warten sie auf bessere Zeiten oder sie sind einfach bankrott. Die Bevölkerung ist in den ersten Tagen der Krise in Panikkäufe verfallen, so daß die Kaufkraft der Russen mittlerweile um zwei Drittel zurückgegangen ist. Die russischen Privatunternehmer versuchen die Auswirkungen der Krise mit dem Abbau von Personal, Kürzung der Ausgaben und der Verschiebung oder Aufgabe von Projekten zu meistern.
|