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Spezial: Moldowa - Land am Dnjestr
Eines der schönsten und das nach seinem Grundriß und seiner Ausführung wohl grandioseste Felsenkloster ist Tipowa aus dem 17. Jahrhundert, das nach der naheliegenden Siedlung benannt wurde. Unter einem natürlich herabhängenden Schirm eines hellrosa-beigefarbenen Felsens verbirgt sich eine Reihe alter Zellen und Gewölbe, die seit langem leer stehen. Die Mönche haben den Fels seinerzeit nur behauen, sie haben keine Ziegelsteine gelegt oder irgend etwas anderes hinzugefügt. Türen und Fenster sind nicht mehr erhalten, dies läßt uns rätseln, woraus sie einst gemacht waren. Bestimmt muß einst eine Treppe hinaufgeführt haben, die lange Zeit den Erdbeben, dem Regen und Schnee trotzte, dann aber zerstört wurde. Heute muß der Besucher über hervorspringende Steine klettern, aber das Abenteuer lohnt sich. Die Legende erzählt, daß die Mönche manchmal überhaupt keine Treppen bauten, um völlig isoliert von Freund und Feind zu sein. Essen und Trinken wurden in solchen Anlagen in Körbe gelegt und an Seilen nach oben gezogen. In manchen Felsenklöstern haben die Mönche irgendwelche Details ihrer ungewöhnlichen Einsiedelei hinterlassen - direkt im Fels wuchsen Steine mit den natürlichen Felsgewölben zusammen, was dem Kloster eine ein wenig düstere Schönheit gab. Neben dem Tipowa- und dem Saharna-Kloster aus dem 17. Jahrhundert ist das Butuceni-Kloster aus dem 15. bis 17. Jahrhundert eines der bekanntesten. Die Felsenklöster liegen in der Regel auf den steilen Felsriffen des Prut und des Dnjestr oder in den Wäldern, weit von den Hauptverkehrswegen. Die wilde Natur unterstreicht stets ihre einmalige strenge Schönheit. Das Saharna-Kloster liegt in einer engen, tiefen Schlucht am Ufer eines in den Dnjestr mündenden Flusses. Das Kloster ist eingebettet in hohe Hügel, die zum Teil felsig, zum Teil mit Wald bedeckt sind. Ein schmaler Weg führt zur Anlage. Das Ensemble ist wunderbar in die umgebende Landschaft eingebettet, es begeistert uns durch seine Baukunst unter den Bedingungen des komplizierten Reliefs.
So ist es im Curchi-Kloster im Dorf Curchi aus dem 18. Jahrhundert, das zusammen mit der Kirche der Geburt Christi (erbaut 1810) ein unverbrüchliches Ensemble bildet, so sehen wir es im Kloster Japca mit der Himmelfahrtskirche von 1825 und dem zur gleichen Zeit errichteten Glockenturm. Diese Struktur weist auch eines der ältesten Klöster Moldowas auf: das Kloster Rudi mit der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit. Es sei hervorgehoben, daß es schwierig ist, in Moldowa Baudenkmäler zu finden, die malerischer wären als die sich in den Wäldern versteckenden oder sich an Berghängen oder auf hohen Flußufern erhebenden Klöster. Immer gibt es eine Einheit aus Bauwerk und Landschaft. Und von welchem Punkt aus sie sich auch dem Blick darbieten mögen - umrahmt von frischem Grün oder breit auf gelblichem Felsen liegend - ihre schlichte Größe nimmt uns stets den Atem. Darauf müssen wohl all die namenlosen Baumeister gesetzt haben, wenn sie einen erhöhten oder einen still verborgenen Ort als den günstigsten wählten. Und doch gibt es mehr "einsame" Kirchen als Klosteranlagen. Das ist verständlich. Eine Kirche konnte überall dort entstehen, wo Menschen wohnten. Und sei es auch nur das allerkleinste Gotteshaus, es weihte durch sein Vorhandensein eine Siedlung, ab und an auch gleich mehrere Siedlungen. Städte hatten mehrere Kirchen. Die unter architektonischen Aspekten interessantesten Kirchen entstanden in der Zeit vom 15. bis 19. Jahrhundert. Innerhalb dieser Periode wandelten sich die Mode und der Baustil, wechselte die Macht, änderten sich die Architekten selbst. Wir sehen: es gibt keinen einheitlichen Kanon beim Kirchenbau. Bald erscheinen sie als mittelalterlicher Dom, bald als Gebäude mit Elementen des Barock oder den Traditionen des Klassizismus, und natürlich finden sich auch Elemente der volkstümlichen moldawischen Architektur. Galerien mit Ziegeldächern etwa, die sich auf Steinsäulen mit vereinfachten Basen und Kapitellen von einer eigenartigen "Toskanaanordnung" stützen. Die Steinbaukunst Moldowas hat viele äußere Einflüsse erlebt und aufgesogen, das hat ihren außerordentlichen Reichtum und die Vielfalt ihrer Grundriß- und Stillösungen hervorgebracht. Unsere Kirchen sind richtige Freilichtmuseen. An ihnen läßt sich ablesen, daß sich die moldawische Architektur ungeachtet der vielfältigen Einwirkungen deutlich ausgeprägte nationale Besonderheiten erworben und bewahrt hat. Zu nennen ist ein stets eindeutiger Grundriß in der Form eines Dreiblattes mit halbkreisförmigen Apsiden. Über dem Dach mit vier schrägen Flächen, die am First zusammenstoßen, erhebt sich eine achteckige Trommel mit Kuppel. Leider haben die Holzkirchen aus dem 14. Jahrhundert die Jahrhunderte nicht überdauert. Und doch erhielt der Kirchenbau aus ihnen viele Impulse. Nach zahlreichen Zeugnissen waren sie in der Regel durch eine Längskomposition gekennzeichnet: dabei fanden sich drei Räume unter einem Dach. Eine Besonderheit waren die vielflächigen Apsiden und die teils monumentalen Anbauten. Einige dieser Bauprinzipien wurden später auch auf die Steinkirchen übertragen. Zu den ersten architektonisch interessanten Steinkirchen zählen die aus dem 15. bis 17. Jahrhundert stammende Kirche in Orheiul Vechi, die Kirche der Gewandlegung in Causeni und die Dumitru-Kirche in Orhei.
Niemand wird die einmalige Architektur der kleinen Dorfkirchen außer acht lassen wollen. Oft haben die Besonderheiten der nationalen, genauer volkstümlichen Baukunst diesen ihr Gepräge verliehen. Wenngleich viele Forscher dazu neigen, in den in den 60er bis 90er Jahren errichteten Kleinkirchen die Merkmale der russischen Folklore zu sehen - all diese Zwiebeltürmchen und -türme, all diese halbkreisförmigen Bögen und andere Zierumrahmungen, die uns an ein Bild aus einem russischen Märchen erinnern -, so können wir doch am Beispiel der alten, am besten erhaltenen Dorfkirchen von einer eigenen kirchlichen Baukunst Moldowas sprechen. Aber es ist schon Zeit, die Frage zu stellen, wie denn der Stil der moldawischen Kirche zu bestimmen ist. Und - was bildet die Pointe (wenn es eine gibt) dieser Architektur? Nun, die Besonderheit bilden die einzigartigen Ideen und Umsetzungen der Projektierung. Beim Bau einer Kirche wurde zum Beispiel sehr oft ein originelles System, wie die Geschoßdekken eingearbeitet wurden, verwendet, das später unter dem Begriff "moldawisches Gewölbe" bekannt wurde. Anfang des 19. Jahrhunderts erfanden die Baumeister neue Technologien, es bildet sich der kreuzartige Kirchentyp heraus, hier sind die Pantaleons-Kirche in Chisinau oder die armenische Kirche in Hincesti zu nennen. Auch der Glockenturm erlebt einige Veränderungen: er ist jetzt mehrgeschossig, wirkt von außen graziler und ausdrucksvoller. Die Vorliebe der moldawischen Architektur für Putz und Pracht schlug sich an der Wende des 18. und 19. Jahrhunderts auch im Kirchenbau nieder. Interessant ist, daß einige Bauverfahren "frei über die Grenzen gingen" und von den Nachbarn in der Ukraine und in Belarus übernommen wurden. Im 15. und 16. Jahrhundert allerdings war noch keine Rede von Pracht und Überfluß in der Architektur. In Moldowa herrschten die Türken, das Land wurde häufig von den Tataren überfallen. Aus diesem Grund zeichneten sich die damals errichteten Kirchen durch Strenge und Minimalismus der künstlerischen Mittel aus. Der hellste Fleck aus jener Zeit ist die Steinkirche der Grablegung in Causeni, die im 15. Jahrhundert erbaut wurde. Es ist schwierig, diesen halbkreisförmigen Bau, gedeckt mit gebranntem Mönch (eine Art Dachziegel) und einem einfachen Kreuz auf der über dem Schiff emporragenden oktogonalen blinden Trommel aus der Ferne als Kirche zu erkennen. Zur Hälfte ist das Bauwerk in den Boden eingegraben. Nur das weißsteinige Tierrelief am Eingang und die kleine blinde Trommel mit Kreuz zeugen von seiner Funktion. Aber es ist das interessanteste historische Gebäude und von vielen Legenden umweht. Die von außen so ungemein bescheidene und unauffällige Kirche ist innen mit hellen, ausdrucksstarken, rotgoldenen Fresken geschmückt - dergleichen findet sich in keinem anderen Gotteshaus in Moldowa. Aber es ist zum Weinen - die Augen der Heiligen sind ausgestochen. Die Geschichte dieser Fresken, unter denen ein unbekannter Meister seine Signatur hinterlassen hat, ist legendär und widersprüchlich. In einer Legende heißt es, daß die Kirche heimlich gebaut wurde, damit die Türken nichts von ihrer Existenz erfuhren - aus diesem Grund gab man ihr ein bescheidenes Äußeres und hat sie zudem halb in den Boden eingegraben. Sie sollte durch nichts auffallen. Und weiter wird erzählt, daß die Kirche - als sie schon fertig war und mit leuchtenden Farben in ungewöhnlicher Schönheit ausgemalt war (übrigens wurden Pflanzenfarben benutzt, weshalb die Fresken ihre Leuchtkraft bis heute bewahrt haben) - doch von den Türken besucht wurde. Und als sie verstanden hatten, daß man sie an der Nase herumgeführt hatte und kein Speicher, sondern ein Gotteshaus gebaut worden war, stachen sie mit ihren Lanzen den Heiligen auf den Fresken die Augen aus und schwärzten ihre Bärte mit Kohle. Die Kirche wurde zu einem Stall umfunktioniert. Die wunderbare Wandmalerei ist heute wiederhergestellt, wenngleich sie immer noch Spuren des historischen Vandalismus und der tragischen Seite der Geschichte unseres Landes aufweist. Neben den Heiligen finden wir Woiwoden (Heerführer), die wir aufgrund ihrer individuellen Gesichtszüge schnell identifizieren können. Der freie Platz zwischen ihnen ist mit den bei uns so beliebten Pflanzenornamenten geschmückt. Viel Erstaunliches läßt sich über die Kirche in Causeni berichten. Als das Fundament erforscht wurde, stellte sich heraus, daß sich die Erbauer vor 500 Jahren Mühe gaben, ein erdbebensicheres Gebäude zu errichten - so wurden an ganz bestimmten Stellen Eichenbalken als Schwingungsdämpfer eingezogen, und statt Zement nutzte man eine Kalkmischung mit körnigem Sand.
Wie bereits erwähnt, ist die fruchtbarste Schaffensperiode in der Geschichte der moldawischen Architektur das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts. In großer Zahl wurden Kirchen, Kathedralen und Klöster gebaut, was auf die Stabilisierung der politischen Situation zurückzuführen war. Rußland hatte dem Osmanischen Reich einen vernichtenden Schlag versetzt, die Länder des Balkans konnten eine Zeitlang ein wenig freier atmen. Einen neuen Aufschwung in der Kirchenarchitektur erlebte Moldowa Ende des 19. Jahrhunderts. Damals waren Architekten von Weltruf in Chisinau - und nicht nur dort - tätig. Im Zentrum der Hauptstadt ist es unmöglich, einfach an der Heiligen Pantaleon-Kirche vorbeizugehen, die vom Architekten A. Bernardazzi entworfen wurde, der übrigens für viele Gebäude in der Stadt verantwortlich zeichnet. Die Pantaleon-Kirche ist ein Schmuckstück der moldawischen Kirchenarchitektur, und sie zählt zu den vollendetsten Kreuzkirchen in unserem Land. Der Grundriß ist in der Form eines klassischen Kreuzes mit gleich langen Armen. Am östlichen Arm schließt sich eine fünfeckige Apside an, der Glokkenturm dominiert das westliche Ende. Eine Besonderheit der Konstruktion ist das sich perpendikular überschneidende Bogenpaar, das den Zentralraum überwölbt und zugleich als Grundlage für die achtekkige Lichttrommel dient, die von einer schlanken Kuppel gekrönt ist. Die Kirchenkuppel erhebt sich über der ganzen Kirche und selbst über dem Glockenturm. Das Gebäude ist im neobyzantinischen Stil errichtet, wovon die Details zeugen. Der Ruf von der Schönheit der Pantaleon-Kirche eilte nach Rußland, nach Moskau, und die russischen Baumeister sahen in der Kirche ein echtes Baujuwel. Rußland war im Laufe des ganzen 19. Jahrhunderts bemüht, seinen Einfluß in Moldowa zu festigen. So war man bestrebt, den russischen Stil in der Kirchenarchitektur durchzusetzen. Das Russische Reich sparte nicht an Geld für den Kirchenbau. Angesichts der riesigen Geldsummen, die zur Verfügung standen, entstanden Perlen der Kirchenarchitektur, wie die Kapelle des Mädchen-gymnasiums in Chisinau, die ebenfalls von Bernardazzi entworfen wurde, wie das Ensemble auf dem ehemaligen Domplatz mit dem riesigen Kirchendom, dem Glockenturm und dem Triumphbogen - die Kirche wird landläufig Chisinauer Kathedrale genannt. Andere Kirchen im Stil des späten Klassizismus fallen ebenfalls in diese Bauperiode. Es ist unmöglich, alle Leistungen der moldawischen Kirchenbaukunst aufzuzählen, die in den letzten 500 Jahren entstanden. Aber über Architektur und Kirchenarchitektur zu berichten, bedeutet auch, über die Geschichte des Landes und des Staates zu erzählen. Man kann vieles verstehen, wenn man die Steine betrachtet, da braucht es keine Übersetzung in eine andere Sprache. Denn die Kirchen sind an und für sich eine in Stein verewigte Geschichte.
Heute werden auf 142000 Hektar Weinreben angebaut und gibt es über 180 Weinkellereien. Natürlich, jeder Dorfbewohner betreibt ein wenig privaten Weinanbau und hat in seiner Wirtschaft alle notwendigen Winzergerätschaften - Presse, Kübel und Fässer. Die Profite aus dem Weinanbau haben einen Anteil von fünfzehn Prozent an den staatlichen Haushaltseinnahmen. Bei einer Bruttoernte von 350000 bis 500000 Tonnen Trauben im Jahr werden in Moldowa 1,2 bis 1,5 Millionen Hektoliter Wein aus den edelsten europäischen und örtlichen Sorten gekeltert. Fünfzehn Prozent der Gesamtmenge konsumieren die Moldawier selbst, der Rest geht in den Export, der jährlich auf 130 bis 150 Millionen Dollar geschätzt wird. Wie es früher war Der Weinanbau und die Weinkelterei blicken in Moldowa auf eine lange Geschichte zurück. Durch das Prisma dieses Wirtschaftszweiges spiegelt sich die Geschichte des moldawischen Volkes. Die ersten Hinweise darauf, daß in unserer Region Wein angebaut und verarbeitet wurde, stammen aus dem 7. und 8. Jahrhundert vor unserer Zeit. Aus dieser Epoche sind Informationen über das Leben der damaligen "Moldawier", der Geten und Daker, überliefert. Wahrscheinlich haben sie bereits früher als andere Völker die Weinherstellung erfunden. Seitdem ging es mit der Geschichte des Weines auf und ab, wie auch mit der Geschichte des Volkes, das ihn anbaute und verarbeitete. Wissenschaftler vertreten verschiedene Ansichten über den Ursprung der Weinrebe als regionale Kulturpflanze. Der Historiker und Fachmann für Weinbaugeschichte Liviu Vacarciuc meint, die Weintraube habe sich in Moldowa durch natürliche Selektion aus wilden Traubensorten entwickelt. Er behauptet, es gebe zahlreiche Beweise dafür, daß diese Kultur hier schon im Neolithikum existierte. Untermauert wird seine These durch archäologische Ausgrabungen im nordmoldawischen Dorf Naslavcia. Hier stieß man auf Abdrücke eines Weinblattes "Vitus Teutonica", das nach Ansicht von Archäologen Millionen Jahre alt ist. Der Weinfachmann Serghei Carpov glaubt, daß griechische Händler die Weintraube nach Moldowa gebracht haben, von diesen lernten die Geten und Daker die Traubenzucht und das Keltern. Wie auch immer, der Weinanbau und die Weinherstellung sind zu einem festen Bestandteil des Alltags der Moldawier geworden. In der neueren Geschichte wurden die Weinstöcke immer wieder von der Reblaus befallen - diese nistet auf dem Weinstock und greift schließlich die Wurzel an. Die Krankheit kam aus den USA nach Europa und bis nach Moldowa und brachte den Weinbauern riesige Verluste. Erstmals trat die Reblaus 1886 im Dorf Teleseu im Rayon Orhei auf und zerstörte binnen kurzer Zeit ganze Weingärten. 1909 vernichtete das Ungeziefer über sechzig Prozent der Rebstökke. Waren im Jahre 1847 noch 140000 Hektar mit Wein bepflanzt, so waren es 1914 nur noch 40515 Hektar. Um der Plage Herr zu werden, selektierten die Winzer verschiedene Rebsorten: Ableger der besten europäischen Trauben wurden mit den widerstandsfähigsten Wildlingen gekreuzt. So konnte in den 20er bis 40er Jahren des 20. Jahrhunderts ein Großteil der Anpflanzungen wiederhergestellt werden. Auch in der Sowjetzeit entwickelte sich der Weinbau in Moldowa zügig. Die Weingärten nahmen eine Fläche von über 250000 Hektar ein, die Weinproduktion erreichte zwei Millionen Tonnen jährlich - das waren 22 Prozent des in der gesamten Sowjetunion produzierten Weines. Die Wirtschaft der Moldawischen SSR basierte fast ausschließlich auf diesem Wirtschaftszweig. Zwar war auch die Produktion hochprozentiger Spirituosen ein wichtiges Standbein, aber der Wein war das Aushängeschild der Republik. Auf dem Programm hoher Gäste aus dem Ausland stand obligatorisch der Besuch der bekanntesten Weinsowchosen und -kellereien. Probleme und Aufgaben im Weinbau wurden auf jedem Plenum der Moldawischen Kommunistischen Partei erörtert, eingerichtet wurden das moldawische Forschungsinstitut für Weinbau und Weinherstellung sowie verschiedene wissenschaftliche Laboratorien, die sich vor allem mit der Selektion neuer und der Qualitätsverbesserung alter Sorten beschäftigten. Trotzdem erlangte nach dem Zerfall der UdSSR die Branche für die Wirtschaft des jungen unabhängigen Staates wieder strategische Bedeutung. Die Sowchosen und die ihnen angegliederten Betriebe lösten sich auf, es entstanden große und winzig kleine Privatwirtschaften, die nicht nur neue Flächen erschlossen, sondern auch neue europäische Sorten kultivierten. In moderne Ausrüstungen ist in den letzten Jahren viel investiert worden. Wissenschaftler arbeiten an geschmacklichen Verbesserungen der Weine. Und Präsident Woronin hat die Weinwirtschaft zur Chefsache gemacht. Am zweiten Oktobersonntag wird jetzt das Nationale Weinfest gefeiert. Eine alte Tradition erhielt somit offizielle Anerkennung, denn im Herbst, wenn der junge Wein aufhört zu gären, luden die Winzer seit uralten Zeiten Verwandte und Freunde zur Verkostung des süßen "Tulburel" ein. Weinwirtschaft heute Weinanbaugebiete sind in allen geographischen Zonen der Republik anzutreffen. In Zentralmoldowa, Codru genannt, konzentrieren sich über fünf Prozent der Weingärten. Wälder und Hügel schützen sie vor Frost und Trockenheit. Hier gedeihen vor allem Chardonnay, Feteasca, Sauvignon, Riesling, Traminer Ros und Cabernet. Hier liegt Romanesti, ehemals das Weingut der russischen Zarendynastie Romanow. Aus dieser Region kommen milde Weiß- und Schaumweine, auch Divin und Balsam. Der Südwesten oder das Gebiet Purcari ist ein schmaler Streifen am westlichen Ufer des Dnjestr. Hier spezialisiert man sich auf aromatisierte Weine und Säfte, aber auch auf die bekannten Rotweine Merlot, Rara Neagra, Cabernet-Sauvignon und Pinot Noir. Purcari war früher eine deutsche Kolonie mit Weinanbau und -herstellung und bekannt für den Wein Roussillon-Languedoc. Im Süden wurden berühmte französische Rebsorten den örtlichen Bedingungen angepaßt: Pinot gris, Muscat blanc, Traminer ros, Gamay freaux, Cabernet. Von hier kommen gute Dessertweine, vergleichbar mit denen aus Bordeaux. Aus den im Norden gezogenen Weintrauben werden Divin sowie einfache Tafelweine wie Aligote, Pinot, Feteasca und Traminer hergestellt. Jede Zone hat ihre bioklimatischen Besonderheiten, die dem Wein den Geschmack geben. Aligote gedeiht in allen vier Zonen, wird aber im Norden zu Weinbrand, in Zentralmoldowa zu Sekt verarbeitet. Typisch für unsere Landschaft sind Hügel und Täler. Die Landschaft selbst bietet in den sogenannten Schüsseln zwischen den Hügeln an den Sonnenhängen beste Bedingungen für den Winzer. In regelmäßigen Kreisen gepflanzt und an Holz- oder Betonstreben rankend, gleichen die Rebenschüsseln einem grünen Radargerät, das tagsüber die Sonnenwärme und nachts die Bodenwärme speichert. Um die Sorten richtig verarbeiten zu können, braucht der Winzer umfassendes Wissen über ihre Herkunft und die klimatischen Voraussetzungen. So ist beispielsweise die Sorte Nistru, die moldawische Fachleute aus Himrung und Pierel gewonnen haben, ausschließlich für die Zubereitung von Obstkonserven und Marmelade geeignet. Daraus Wein zu keltern, wäre ein Frevel, ebenso wie aus Aligote Marmelade zu machen. Nicht jedes Jahr ist ein gutes Weinjahr. Dazu braucht es einen trockenen und sonnigen Herbst, den wir nicht jedes Jahr haben. Nur dann reifen die Trauben ausgezeichnet und geben dem Wein sein kräftiges Bukett. Es ist ein vollmundiger, ein warmer Wein, wie Kenner sagen. Hat ein Wein neun Prozent, wurde er in einem kühlen, regnerischen Herbst geerntet, er ist nichts Besonderes. Hat er zwölf Prozent, wurde er aus den besten und zukkerreichen Trauben gekeltert. In Moldowa gelten die Jahre 1975, 1983 und 1984, 1986, 1990, 1991, 1999 und 2000 als herausragende Weinjahre. In alten Zeiten schon galt Wein als Heiltrunk gegen viele Leiden. Eine Legende berichtet, daß der moldawische Herrscher Grigorie Ghica im 18. Jahrhundert schwer erkrankt sei. Die Ärzte wußten sich keinen Rat mehr, doch da meldete sich ein alter Bauer und versprach, den Herrscher zu heilen, vorausgesetzt, dieser lasse seine Geschäfte ruhen. Der alte Mann brachte Ghica in das Dorf Rudi, wo er ihm einen Monat lang Weintrauben und Wein vorsetzte. Schnell kam der Landesherr wieder zu Kräften und ließ 1777 aus Dankbarkeit gerade dort das Kloster Rudi errichten. Im Volk lebte schon immer der Glaube an die Heilkräfte der Trauben. Mittlerweile ist auch wissenschaftlich erwiesen, daß die Beeren den Säuregehalt im Körper senken, die Magentätigkeit anregen, Oxidierungsprozesse beschleunigen, die Funktion der endokrinen Drüsen normalisieren und das Immunsystem stärken. In Moldowa werden in vielen Sanatorien schwere Krankheiten mit einer besonderen Therapie behandelt (Weinbeeren, Most, Saft und Wein). Gute Weine, die Trioxistilben enthalten, verlangsamen den Alterungsprozeß der Zellen, wirken vorbeugend gegen Krebs und Ateriosklerose. Besonders reich an Oxidationsmitteln sind die Rotweine Codru, Joc, Dionis und andere. Die Weißweine Feteasca, Aligote und Riesling haben antibakterielle Wirkstoffe, wehren Tuberkulose-, Malaria-, und Cholerabakterien ab. Gute Weine empfehlen sich bei Viruserkrankungen der Atemwege. Beliebt ist in Moldowa Glühwein, hier Izvar genannt. Auch bei Stoffwechselstörungen kann Wein helfen. Eine seiner wichtigsten Eigenschaften besteht nämlich darin, daß er das Cholesterin senkt. Das trifft vor allem auf die aromatisierten Weine "Bukett Moldowas", "Morgentau" und auf Wermut zu. Bei radioaktivem Strahlenrisiko soll Cahor helfen, der übrigens bei den Besatzungen von Atom-U-Booten und -eisbrechern, bei Beschäftigten in Atomkraftwerken, bei Nordpol- und Antarktisforschern sowie bei Kosmonauten täglich auf dem Speiseplan steht. Rote Tischweine sind gut gegen Anämie. Leichte Weißweine, vor allem Schaumweine, unterstützen die Herzfunktionen. Trockene Weine eignen sich zur Behandlung von Diabetes. Bei Erkrankungen des Rückens und des Bewegungsapparates empfehlen sich mineralreiche Weine: Aligote, Feteasca, Chardonnay, Sauvignon, Riesling, Rkaziteli. Die Kleinstadt Camenca wird als Heimat der moldawischen Weintherapie bezeichnet. Im 19. Jahrhundert ließ Graf Wittgenstein aus Frankreich, Italien und der Schweiz hierher Weintrauben zur Behandlung von Kriegsinvaliden liefern. Kurze Zeit später entstand auf der Basis des Lazaretts in Camenca ein Sanatorium. Eine Weintherapie wird bei Nerven-, Herz-, Gefäß-, Leber-, Nieren- und Gallenblasenerkrankungen sowie bei Gicht empfohlen. Zur Klassifizierung der moldawischen Weine Die Wissenschaftler Gheorge Cozub und Emil Rusu nahmen die Klassifizierung der moldawischen Weine vor. Sie gliederten sie nach Rasse (Weine aus einer einzigen Traubensorte), Verschnitt (aus mehreren Sorten) und nach Separee (aus mehreren Sorten einer botanischen Art), nach Farbe - weiß, rot und rosé, nach Qualität - Extraqualität und einfache Qualität, sowie nach Herstellungstechnologie, also Natur- und Spezialweinen. Divin: Zur Gruppe der in Moldowa hergestellten hochprozentigen Spirituosen zählt Divin - ein Weindestillat. Im Geschmack erinnert es an französischen Cognac. Zu dieser Gruppe gehören zudem: Brandy (Alkoholverschnitt), Merisor - Apfelbranntwein nach Art des französischen Calvados, Tuica - Pflaumenschnaps, Rachiu und Wodka. Je nach Lagerzeit und Qualität unterscheidet man bei Divin drei Kategorien: einfache (drei bis fünf Jahre alt), höchste Klasse (mehr als fünf Jahre Lagerzeit) und Extraklasse. Der bekannteste heimische Weinbrand ist Barza Alba (Belij Aist, Weißer Storch). Gute Noten erhielten die zehnjährigen Divine Nistru, Doina, Bucuria, Chisinau, zudem die zwanzigjährigen Divine Codru, Dacia, Stefan Voda und natürlich die vierzigjährigen Victoria, President und Ambassador. Zur Herstellung moldawischer Divine werden die besten Ausgangsstoffe und die klassische Destillation genutzt. Durch die Lagerung in Eichenfässern erhält das Getränk sein blumiges Vanillearoma mit einem Hauch von Eiche und die herrliche Farbe durchsichtigen Bernsteins. Schaumweine: Als es die Sowjetunion noch gab, wurde "Sowjetskoje Schampanskoje", eigentlich in Moldowa hergestellt, in vielen Ländern ein populäres Markenzeichen. Sekt mit diesem Etikett gibt es bereits mehr als zehn Jahre nicht mehr, doch die hiesigen Winzer können stolz auf die Nachfolgemarken sein. Die beliebtesten klassischen Schaumweine sind heute Cricova, Muscat spumant und National, die alle auf internationalen Wettbewerben Auszeichnungen und Medaillen erhielten. Moldowa war übrigens eines der ersten Länder, das roten Sekt auf den Markt brachte. Mit seinem Aroma von Muskat und Rosenblüten kann er durchaus mit vielen weißen Schaumweinen konkurrieren. Die Produktion von staubtrockenen Schaumweinen ist ziemlich arbeitsaufwendig. Sie werden drei Jahre in Flaschen gelagert, die ständig von Hand gerüttelt werden müssen. In Frankreich ist dies Männersache, in Moldowa aber eine reine Frauenbeschäftigung. Jede Flasche wird regelmäßig um 45 Grad gedreht, damit sich der Rückstand gleichmäßig verteilt. Pro Tag bewegt eine Beschäftigte 40000 Flaschen. Eine schwere Arbeit, und so werden nur Frauen mit einer Spezialausbildung genommen. Ist der Schaumwein reif, wird der provisorische Korken entfernt und die Flasche fest verschlossen. Haben sich die Rückstände aufgelöst, kommt ein richtiger Korken und das Etikett auf die Flasche. Aromatisierte Weine und Balsame: Die moldawischen Spirituosenhersteller sind berühmt für ihre aromatisierten Getränke. Weiße und rote Tischweine werden zur Geschmacksverstärkung mit Aktivkohle behandelt. Hinzu kommen Kräuter, Gräser und Wurzeln von Pflanzen oder Bäumen. Diese Getränke können als Aperitif oder Cocktailzugabe getrunken werden. Die beliebtesten Weinbrände und Weine dieser Serie sind "Bukett Moldowas", "Romanita" und "Toamna". Neben aromatisierten Weinen werden Balsame produziert, die nach Schlehe, Stachelbeeren oder Pflaumen schmekken. Einen den Mund zusammenziehenden herben oder einen leichten Honiggeschmack hinterlassen die Balsame "Legenda Haiducului", "Bucuria", "Stejar" und "Amar-amar". Der Portwein erhielt die Bezeichnung aufgewärmter Wein mit wenig Sauerstoff. Er wird in erwärmten Gefäßen beinahe ohne Sauerstoff zubereitet. Neue Marken wie "Prometeu" basieren auf den Traubensorten Aligote, Feteasca, Rkaziteli, Saperawi, Merlot, Riesling, Cabernet oder Sauvignon. Madeira ist ebenfalls ein erwärmter Wein mit unbeschränkter Sauerstoffnutzung. Mit zwanzig Prozent Alkoholgehalt sind dies die süffigsten moldawischen Weine, zu nennen wäre hier "Luceafar". Marsala wurde zu karamelisiertem Wein, bei dessen Herstellung Zucker beigefügt wird, der sich beim Erhitzen in Karamel verwandelt und die spezifische Geschmacksrichtung vorgibt - hier ist der "Carpineni" zu nennen. Die nationale Weinkollektion Begleiten Sie mich zur Weinkellerei Cricova. Hier sind in den unterirdischen Gewölben über vierzig Millionen Liter auserlesener Weine gelagert. In der ganzen Welt gibt es nichts Vergleichbares. Die Sammlung birgt wahre Schätze. Ihr Wert wird auf einen moldawischen Staatshaushalt geschätzt. Cricova, das ist das Sektkombinat und der Weinkeller, der in sechzig Kilometer Stollen untergebracht ist, in denen man früher Muschelkalk abbaute. Die Stollen liegen achtzig bis hundert Meter unter der Erde, wo sich konstant eine Temperatur von zehn bis dreizehn Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 95 bis hundert Prozent hält, ideal für die Weinlagerung. Die Gewölbe bilden eine richtige unterirdische Stadt mit einem verzweigten Straßenlabyrinth. Die Straßen tragen die Namen der Weine, man nimmt also zuerst die Cabernet-Straße, um zur Pinot-Straße oder zum Isabella-Boulevard zu gelangen. Die meisten Besucher fahren in Autos oder Bussen. Der Direktor der Weinsammlung Andrei Cholostenco sagt, in den 300 Liter fassenden Eichenfässern lagert der beste Wein. Die Fässer bestehen aus ausgesuchter französischer Eiche. Daraus werden Marken- und Sammlerweine abgefüllt. Für einfachen Tischwein wird das Ausgangsmaterial mindestens ein Jahr in den Fässern gelagert, für Markenweine länger. Für Rotweine - Dionis oder Cabernet beispielsweise - drei Jahre, danach reifen sie noch in Flaschen. Sammler-Cabernet lagert noch drei bis dreißig Jahre in Flaschen. In den Gewölben von Cricova lagert man Wein aber auch länger als vierzig Jahre. Wie Cholostenco erläutert, kann man mit diesen Vorräten auch die schlimmsten Finanzkrisen überwinden. Jedes Lagerjahr in Cricova erhöht den Preis der Flasche um dreißig Prozent. Hier liegen beispielsweise fünf Flaschen französischer Chambly von 1936. Sotheby's versteigerte eine Flasche von 1945 für 60000 Dollar. Den Wert der Sammlung bestätigte Sotheby's Präsident, der Cricova besuchte. Trockene Weine vertragen keine lange Lagerung, verschnittene Weine halten sich Jahrzehnte, gar Jahrhunderte, vieles hängt dabei vom Korken ab. Damit er die Flasche hermetisch verschließt, wird er versiegelt. Die Flaschen müssen horizontal lagern, damit der Korken nicht austrocknet. Die wertvollste Flasche in Cricova ist ein jüdischer Passah-Wein, 1902 in Jerusalem abgefüllt. Vor fünfzig Jahren bot ein ausländischer Besucher 100000 Dollar dafür. Welchen Wert er heute hat, ist kaum zu sagen. Cricova besitzt eine weitere Flasche aus dem Jahr 1902 - einen Likör, mit dem sich heutige Liköre nach Geschmack und Rezeptur nicht einmal annähernd vergleichen lassen, meinen Fachleute. Diese Flasche wurde in Tschechien in einem pharmazeutischen Familienbetrieb hergestellt, der Ende des 19. Jahrhunderts gegründet worden war. Der Likör basiert auf Heilkräutern - und hat nichts von seinem Geschmack verloren. In den Gewölben von Cricova lagern zudem Flaschen aus der Sammlung Hermann Görings, der ein besessener Weinsammler war. Seine Kollektion, die nach dem Krieg als Kontribution an die Moldawische Sowjetrepublik ging, bildete 1952 den Grundstock der moldawischen Weinkollektion. Heute lagern hier 2000 Flaschen aus der Göring-Sammlung. Insgesamt findet sich in den unterirdischen Gewölben von Cricova rund eine Million Flaschen erlesenster Köstlichkeiten.
Literaten sahen in diesen Skulpturen das, was als mioritisches Volksbewußtsein bezeichnet wird. Sie kennen unser Nationalepos "Miorita" nicht? Vom Hirten, dem das sanfte Schaf Miorita den Tod prophezeit. Doch tötet der Hirte den Überbringer der schlechten Nachricht nicht, sondern erwartet demütig die Schrekkensstunde, blickt in den Sternenhimmel und sinniert über das Leben. Wie dem auch sei. Die in ganz Moldowa anzutreffenden und von vielen Generationen namenloser Meister gefertigten Holz- und Steinskulpturen haben eine berührende Ausstrahlung, bergen ein unergründliches Geheimnis, das nie ganz entschlüsselt werden kann. Und vielleicht sollte man es auch gar nicht versuchen, denn mit der Entschlüsselung verlören die Schnitzereien das Geheimnisvolle, das aus dem tiefsten Innersten des Volkes kommt. Die moldawische Holz- und Steinskulptur beflügelt bis heute die Phantasie der Dichter, und mehr noch, sie übt nach wie vor einen starken Einfluß auf die professionellen Kunsthandwerker der Gegenwart aus. Obwohl die alten, etwas groben Schnitzereien mit der Zeit völlig verwittert sind, haben sie das Expressive bewahrt, vermitteln sie das Versöhnliche, die unbeschreibliche Trauer in den Jesusgesichtern. Niemals ist es ein nach dem Kirchendogma gestaltetes Antlitz, sondern stets ein Bauerngesicht, abgehärmt von der schweren Alltagsarbeit, aber alles vergebend. Um diese Ausdruckskraft zu erreichen, setzten die Kunsthandwerker unterschiedliche Techniken ein: Flach- und Hochrelief, Rundskulptur, filigrane Ornamentschnitzerei, dreikantige Aushöhlungen und eine Reihe anderer seltener Verfahren. Der rumänische Bildhauer Broncus, der Anfang des 20. Jahrhunderts nach Frankreich emigrierte, schuf die berühmten Steinskulpturen "Säule der Ewigkeit", "Tisch des Schweigens", "Tor zum Kuß" und weitere, alles Meisterwerke. Formen und Details wie Schwalbenschwanzornamente, kleine Zacken und Kronen entlehnte er der volkstümlichen Baukunst sowie den Holz- und Steinskulpturen unserer Region. Der Kunstfotograf und Kameramann Pawel Balan veröffentlichte vor einiger Zeit ein Photoalbum mit Holzskulpturen. In seinem Vorwort schrieb er: "Diejenigen, die nicht wußten, wie man eine Feder in der Hand hält, verewigten die Bauern aus ihrem Dorf in Holz und Stein, verwandelten den Friedhof in ein Buch mit Charakterbildern, auf denen Regen und Wind Spuren hinterlassen haben." Balans Album fand große Resonanz in Moldowa, und für diese Arbeit erhielt er den Staatspreis. Eine große Sammlung geschnitzter Darstellungen der Gottesmutter, des gekreuzigten Christus und vieler Heiliger aus dem 18. und 19. Jahrhundert ist im Besitz des Zentralen Kunstmuseums in Chisinau. Erstaunlich erscheint mir, daß der Brauch, den Gekreuzigten an Brunnen und Quellen aufzustellen, die oft nach Heiligen benannt sind, bis in die Gegenwart überliefert ist. Anders als bei den Russen, die ihre Gräber mit einem einfachen Kreuz schmücken, stehen auf moldawischen Friedhöfen Kreuze mit einem kleinen Dach - wie ein Haus, das Schutz bietet vor Regen und Wind. Eine andere Kostbarkeit ist der Holzschmuck an Kirchen und Häusern, an Grabeinfassungen und auf den Kirchhöfen. Da finden sich echte Meisterwerke, wie das Dekor der Dreifaltigkeitskirche im Dorf Larga, der Auferstehungskirche im Dorf Hodorouti, der Kirche des Heiligen Nikolai im Dorf Horodiste und der Kirche im Dorf Curchi unter Beweis stellen. Die Verzierungen sind oft 300 und 500 Jahre alt. Im Norden hingegen steht das Bauernhaus mit der Fassade zur Straße. Hier wird es von keinem Zaun, von keiner Mauer verdeckt, den Blickfang bildet stets der Vorbau mit einem pfeilförmigen Dachfirst. Die folkloristisch gestalteten kleinen Dachfenster, der Giebel und der Dachkamm sind mit Spitzenmustern eingefaßt. So sieht das Haus irgendwie fein, gar märchenhaft aus. Wie um dieses Märchenhafte zu unterstreichen, bemalen einige Besitzer die Holzteile ihres Hauses mit bunter Farbe, aber das kommt eher selten vor. Besonders üppigen Holzschmuck weisen die Häuser im Süden auf. Typisch ist das Satteldach, dessen Stirnseite zur Straße zeigt. Im Mittelpunkt liegt gerade der Giebel. In der Regel besteht er aus einem großen First, mehreren Gesimsreihen, deren Ränder mit Zacken und Kronen verziert werden. Zierleisten mit ausgefallenen, Ornamenten verschönern die Giebelseite. Die schönsten Fragmente und Muster der Holzschnitzkunst können im Ethnographischen Museum in Chisinau bestaunt werden. Der Beruf des Holzschnitzers zählt heute zu den seltenen, aber hoch angesehenen im Lande. Wer außer ihnen fertigt denn den berühmten Burlui, den Weinkrug mit engem Hals, der auf keinem Hochzeitsfest fehlen darf? Oder die beliebten Löffel? Natürlich, viele Möbelfabriken haben eine Souvenirabteilung und beschäftigen tüchtige Meister. Trotzdem. Auf dem Dorf, in der freien Natur sind der Phantasie des Schnitzers keine Grenzen gesetzt. Und jeder Gegenstand trägt eine individuelle Handschrift. Zum Schnitzen sind alle Hölzer gut, mit denen unsere Heimat reich gesegnet ist: Eiche, Erle, Nußbaum, Kirschbaum, Linde, Ahorn, Ulme, Buchsbaum, Birnbaum, Berberitzenstrauch! Jedes Holz gibt dem Gegenstand einen eigenen, unverwechselbaren Farbton - von kupferfarben bis violett, von rosa bis schwarz, von braun bis golden. Die schönsten Schnitzereien kommen aus den Dörfern um das Waldgebiet Codri - Varsareseti, Suruceni, Bardar, Varniceni. Wenn wir über die Holzschnitzerei sprechen, so dürfen wir das Steinschneiden nicht unerwähnt lassen, denn es ist ein wichtiger Bestandteil sowohl der moldawischen Volkskunst als auch des Städtebaus. Oft finden wir Angleichungen von Holz- und Steindekor. Wissenschaftlich erwiesen ist, daß die Steinmetze von den Holzschnitzern Ornamente, Techniken und sogar die Werkzeuge abgeschaut haben, denn die künstlerische Bearbeitung des Steins verbreitete sich in Moldowa später als die Holzbearbeitung. Viele alte Kirchen und Festungen weisen noch Spuren der erstaunlichen Kunstfertigkeit der "Meister in Stein" auf - wir erfreuen uns an den Wandmustern und an Verzierungen in Form eines Blattes, eines Kreuzes oder einer Vogelfeder. Das "alte Chisinau", das zum Großteil aus dem 19. Jahrhundert stammt, weist viele Gebäude mit üppigstem Steinmetzschmuck auf, darunter architektonische Kleinode wie das berühmte Hertz-Haus, das Didiani-Gymnasium oder das Rathaus. Die Uhr des Stadtturms spielt das Lied des zeitgenössischen Komponisten Evgeni Doga, das mit den Worten über Chisinau beginnt: "Meine weiße Stadt, Blume aus weißem Stein..." Leider sterben die Steinmetztraditionen in Moldowa langsam aus. Noch kann man in der Stadt mit großer Mühe unter den professionellen Bildhauern Steinmetze finden, auf dem Land jedoch ist jemand, der diese Kunst beherrscht, Gold wert, obwohl gerade hier die Fertigung von Grabsteinen und des Steinschmucks an Kirchen eine alte Tradition ist. Erst kürzlich hörte ich eine rührende Geschichte über den bekannten Maler Mihai Grecu, der zeitlebens eine uralte holzgeschnitzte Kreuzigung bei sich aufbewahrte. Eine von den auf verlassenen Friedhöfen oder an einem Brunnen gefundene Darstellung, über die ich eingangs geschrieben habe. Grecu starb. Und die Familie wollte diese einmalige Schnitzerei in Stein schneiden lassen und als Grabstein für den Maler aufstellen. Nach langem Suchen fand sie endlich einen jungen Bildhauer, der langsam, Schritt für Schritt, die Holzkreuzigung in Stein kopierte. Zwei Jahre brauchte er für die mühselige Arbeit an dem nur einen Meter hohen Gedenkstein. Vor kurzem wurde er nun endlich aufgestellt. Eine Geschichte mit gutem Ende. Die Kunst ist nicht tot, sie lebt ewig.
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