Kultur


aus WOSTOK SPEZIAL: Moldowa - Land am Dnjestr
 
Lebendige Traditionen, Sitten und Bräuche [ Abstract ]
Ein kurzer Blick auf die Religions- und Kirchengeschichte [ Abstract ]
Wie ein stolzes Schloß im Schatten des Kreuzes - die Klöster Moldowas [ Volltext ]
Moldawischer Wein in Vergangenheit und Gegenwart [ Volltext ]
Und traurig schaut, vergessen, der Holzschnittchristus... [ Volltext ]
Was der Montmartre von Chisinau an Schönem bietet [ Abstract ]
Zu Besuch in den Parks, den Hegewäldern und Schutzgebieten [ Abstract ]
Soroca - herrliche Festung am Dnjestr [ Abstract ]
Der Krähe hat der liebe Gott 'ne Nuß geschenkt [ Abstract ]
Die Realität des modernen Lebens auf der Theaterbühne [ Abstract ]
Das Wechseln der Räder - zur modernen Kunst Moldowas [ Abstract ]

Spezial: Moldowa - Land am Dnjestr

Im Mittelpunkt dieser Ausgabe steht ein Spezial zur Republik Moldowa. Mit der weiteren EU-Osterweiterung wird das Land schon bald direkter Nachbar der EU. Das kleine zwischen der Ukraine und Rumänien liegende Moldowa findet kaum in tagesaktuellen Meldungen Beachtung. In den vergangenen Jahren haben auch wir Moldowa in unserer Zeitschrift stiefmütterlich behandelt, aber wir denken, daß wir dies mit unserem Spezial ein wenig ausgleichen können. Das Moldowa- und das Aserbaidschan-Spezial in der letzten Ausgabe können natürlich auch als Sonderdrucke direkt bei uns bestellt oder im Buchhandel erworben werden.




Lebendige Traditionen, Sitten und Bräuche

Dumitru Crudu, Journalist, Chisinau

Lebendige Traditionen, Sitten und Bräuche
 
In Moldowa haben sich viele althergebrachte Sitten und Bräuche erhalten, darunter Familienbräuche, Feste, religiöse und profane Riten sowie Spiele. Auf dem Land sind die Traditionen viel ursprünglicher erhalten als beispielsweise in der Hauptstadt Chisinau, in der man sich vieler Bräuche nur noch auf Festivals erinnert.
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Ein kurzer Blick auf die Religions- und Kirchengeschichte

Iurie Colessnic, Historiker, Chisinau

Allein in den letzten zwölf Jahren ist die Zahl der Kirchen von 280 auf über tausend angewachsen
 
In den Jahren seit der Perestroika und seit der Unabhängigkeit sind in Moldowa viele Kirchen und Klöster wieder eröffnet oder neu gegründet worden. Aber das geistliche und kirchliche Leben läuft nicht in ruhigen Bahnen. Historisch waren viele ortsfremde Religionen auf moldawischem Territorium aktiv und gab es Auseinandersetzungen zwischen der Bessarabischen Eparchie und dem Moskauer Patriarchat, die bis heute nicht gelöst sind.
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Wie ein stolzes Schloß im Schatten des Kreuzes - die Klöster Moldowas

Jelena Schatochina, Journalistin, Chisinau

Eine Reise durch Moldowa könnte auch als Reise durch die 500jährige Kirchenarchitektur angelegt werden. Reich ist die kleine Republik an Klöstern und Felsenklöstern, an Kathedralen, Kirchen und kleinen Dorfkirchen. Die Einflüsse von außen waren vielfältig und haben sich in der Architektur niedergeschlagen. Eine derartige Reise wäre also auch eine Reise durch die Geschichte.

Kloster Rudi
 
Wollte man versuchen, einem Ausländer zu erzählen, was für Wunderdinge es in Moldowa zu sehen gibt, um ihn, den potentiellen Reisenden, anzusprechen, so sollte man über die Felsenklöster sprechen. Es finden sich viele Länder, die sich rühmen können, daß auf ihrem Territorium jahrhundertealte Klosteranlagen unversehrt erhalten sind. Doch nicht in jedem Land haben die Mönche Klöster in den Fels geschlagen, die ihnen in Friedenszeiten Ruhe und Abgeschiedenheit, in Zeiten der Unruhe und des Krieges aber Schutz boten und als Versteck für die Menschen der Kirche und die Ortsansässigen dienten. Es sind geheimnisvolle Orte, die hiesige Reisende, Historiker, Maler mit ihren Staffeleien und ganze Schulklassen anziehen. Sie sind einmalig. Stellen Sie sich einen Felsmonolithen vor, in dem - gute hundert Meter hoch über dem Erdboden - die Zellen der Mönche in hartes Gestein getrieben worden sind. Aus der Ferne sieht ein solcher Fels aus wie ein Blätterteigkuchen: da sind die Aufschichtungen des bunten, kalkhaltigen Gesteins, und darin heben sich schwarz die Fenster- und Türöffnungen der ehemaligen Klosterzellen ab. Uns erstaunt, daß die Zellen von innen, ungeachtet ihrer schmalen Fenster, oft richtige Galerien sind, mit Stufen, Gewölben, Durchgängen, auch Befestigungen. Nichts ist hier aus Holz, alles ist aus Stein und sieht vollkommen natürlich aus. Ja, wir staunen über den Plan und dessen Ausführung. Man will den Hut ziehen vor einem so großartigen von Menschenhand geschaffenen Werk. Denn schließlich wurden mit wenigen technischen Mitteln, aber mit viel Phantasie viele komplizierte architektonische Aufgaben gelöst. Für die alte Felsenkirche der Verkündigung unweit des Saharna-Klosters wurde beispielsweise ein riesiger Kirchenraum für den Gottesdienst und das Gebet in den Fels geschlagen - er ist 5,3 Meter lang, 4,1 Meter breit und 2,5 Meter hoch. Die Wände und Decken des Felsendoms wurden mit Stuck verziert und weiß verputzt. Oberhalb der Kirche sind noch weitere Höhlen unterschiedlichster Zweckbestimmung in den Fels getrieben. Bewundernswert ist auch, wie die talentierten Baumeister das gar nicht einfache Problem der natürlichen Belüftung dadurch gelöst haben, daß Türen und Fenster auf verschiedenen Ebenen plaziert wurden.

Eines der schönsten und das nach seinem Grundriß und seiner Ausführung wohl grandioseste Felsenkloster ist Tipowa aus dem 17. Jahrhundert, das nach der naheliegenden Siedlung benannt wurde. Unter einem natürlich herabhängenden Schirm eines hellrosa-beigefarbenen Felsens verbirgt sich eine Reihe alter Zellen und Gewölbe, die seit langem leer stehen. Die Mönche haben den Fels seinerzeit nur behauen, sie haben keine Ziegelsteine gelegt oder irgend etwas anderes hinzugefügt. Türen und Fenster sind nicht mehr erhalten, dies läßt uns rätseln, woraus sie einst gemacht waren. Bestimmt muß einst eine Treppe hinaufgeführt haben, die lange Zeit den Erdbeben, dem Regen und Schnee trotzte, dann aber zerstört wurde. Heute muß der Besucher über hervorspringende Steine klettern, aber das Abenteuer lohnt sich. Die Legende erzählt, daß die Mönche manchmal überhaupt keine Treppen bauten, um völlig isoliert von Freund und Feind zu sein. Essen und Trinken wurden in solchen Anlagen in Körbe gelegt und an Seilen nach oben gezogen. In manchen Felsenklöstern haben die Mönche irgendwelche Details ihrer ungewöhnlichen Einsiedelei hinterlassen - direkt im Fels wuchsen Steine mit den natürlichen Felsgewölben zusammen, was dem Kloster eine ein wenig düstere Schönheit gab. Neben dem Tipowa- und dem Saharna-Kloster aus dem 17. Jahrhundert ist das Butuceni-Kloster aus dem 15. bis 17. Jahrhundert eines der bekanntesten.

Die Felsenklöster liegen in der Regel auf den steilen Felsriffen des Prut und des Dnjestr oder in den Wäldern, weit von den Hauptverkehrswegen. Die wilde Natur unterstreicht stets ihre einmalige strenge Schönheit. Das Saharna-Kloster liegt in einer engen, tiefen Schlucht am Ufer eines in den Dnjestr mündenden Flusses. Das Kloster ist eingebettet in hohe Hügel, die zum Teil felsig, zum Teil mit Wald bedeckt sind. Ein schmaler Weg führt zur Anlage. Das Ensemble ist wunderbar in die umgebende Landschaft eingebettet, es begeistert uns durch seine Baukunst unter den Bedingungen des komplizierten Reliefs.

Kathedrale von Drochia
 
Sehr oft bilden die Felsenklöster mit einer später erbauten Kirche ein einheitliches Ganzes. Das heißt, zuerst entstand eine Einsiedelei, in der die Mönche lebten, erst später baute man eine Kirche. So ist das berühmte Kloster Capriana mit der Kirche des Heiligen Georg entstanden. Überhaupt wurden in Moldowa eher Klosteranlagen gebaut, denn die Zeiten waren unruhig, und die Mauern des Klosterkomplexes boten Schutz vor Feinden. In der Tat brachten die Bedingungen in Moldowa in jener Zeit die Vielfalt der Architektur und die künstlerischen Lösungen für die Klosterensembles hervor. Da in der Regel die Kirche später als das Kloster entstand, mußte sie in ein fertiges Ensemble eingefügt werden und die Idee von etwas Bestehendem vervollkommnen. Von weitem wirken die Steingehöfe mit dem Glockenturm und der Kirche wie mittelalterliche Schlösser, umgeben von einem einwandfreien Oval von Mauern. Wir erfreuen uns daran, daß sich verschiedene Grundrisse und Formen in der Architektur der Sakralbauten überaus geschickt ergänzten. Bei der Entwicklung der Klosterarchitekur haben die moldawischen Baumeister ihren eigenen Weg finden können.

So ist es im Curchi-Kloster im Dorf Curchi aus dem 18. Jahrhundert, das zusammen mit der Kirche der Geburt Christi (erbaut 1810) ein unverbrüchliches Ensemble bildet, so sehen wir es im Kloster Japca mit der Himmelfahrtskirche von 1825 und dem zur gleichen Zeit errichteten Glockenturm. Diese Struktur weist auch eines der ältesten Klöster Moldowas auf: das Kloster Rudi mit der Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit.

Es sei hervorgehoben, daß es schwierig ist, in Moldowa Baudenkmäler zu finden, die malerischer wären als die sich in den Wäldern versteckenden oder sich an Berghängen oder auf hohen Flußufern erhebenden Klöster. Immer gibt es eine Einheit aus Bauwerk und Landschaft. Und von welchem Punkt aus sie sich auch dem Blick darbieten mögen - umrahmt von frischem Grün oder breit auf gelblichem Felsen liegend - ihre schlichte Größe nimmt uns stets den Atem. Darauf müssen wohl all die namenlosen Baumeister gesetzt haben, wenn sie einen erhöhten oder einen still verborgenen Ort als den günstigsten wählten.

Und doch gibt es mehr "einsame" Kirchen als Klosteranlagen. Das ist verständlich. Eine Kirche konnte überall dort entstehen, wo Menschen wohnten. Und sei es auch nur das allerkleinste Gotteshaus, es weihte durch sein Vorhandensein eine Siedlung, ab und an auch gleich mehrere Siedlungen. Städte hatten mehrere Kirchen. Die unter architektonischen Aspekten interessantesten Kirchen entstanden in der Zeit vom 15. bis 19. Jahrhundert. Innerhalb dieser Periode wandelten sich die Mode und der Baustil, wechselte die Macht, änderten sich die Architekten selbst. Wir sehen: es gibt keinen einheitlichen Kanon beim Kirchenbau. Bald erscheinen sie als mittelalterlicher Dom, bald als Gebäude mit Elementen des Barock oder den Traditionen des Klassizismus, und natürlich finden sich auch Elemente der volkstümlichen moldawischen Architektur. Galerien mit Ziegeldächern etwa, die sich auf Steinsäulen mit vereinfachten Basen und Kapitellen von einer eigenartigen "Toskanaanordnung" stützen. Die Steinbaukunst Moldowas hat viele äußere Einflüsse erlebt und aufgesogen, das hat ihren außerordentlichen Reichtum und die Vielfalt ihrer Grundriß- und Stillösungen hervorgebracht.

Unsere Kirchen sind richtige Freilichtmuseen. An ihnen läßt sich ablesen, daß sich die moldawische Architektur ungeachtet der vielfältigen Einwirkungen deutlich ausgeprägte nationale Besonderheiten erworben und bewahrt hat. Zu nennen ist ein stets eindeutiger Grundriß in der Form eines Dreiblattes mit halbkreisförmigen Apsiden. Über dem Dach mit vier schrägen Flächen, die am First zusammenstoßen, erhebt sich eine achteckige Trommel mit Kuppel. Leider haben die Holzkirchen aus dem 14. Jahrhundert die Jahrhunderte nicht überdauert. Und doch erhielt der Kirchenbau aus ihnen viele Impulse. Nach zahlreichen Zeugnissen waren sie in der Regel durch eine Längskomposition gekennzeichnet: dabei fanden sich drei Räume unter einem Dach. Eine Besonderheit waren die vielflächigen Apsiden und die teils monumentalen Anbauten. Einige dieser Bauprinzipien wurden später auch auf die Steinkirchen übertragen. Zu den ersten architektonisch interessanten Steinkirchen zählen die aus dem 15. bis 17. Jahrhundert stammende Kirche in Orheiul Vechi, die Kirche der Gewandlegung in Causeni und die Dumitru-Kirche in Orhei.

Chisinauer Kathedrale
 
Die Besonderheit unserer Kirchen besteht gerade darin, auf welche Weise verschiedene Einflüsse von außen - und derer gab es eine ganze Reihe in diesem am Kreuzungspunkt der Handelswege liegenden Landstrich - in eine bestimmte Ordnung gebracht wurden. Es ist vielleicht die Überschneidung unterschiedlicher Einflüsse und der Umgang mit diesen, der so unerwartete Wirkungen hervorgebracht hat. Im christlich-orthodoxen Moldowa, in dem sich Polen, Österreicher und Westukrainer niederließen, gibt es viele Kirchen, die nach römisch-katholischen Vorbild errichtet sind - so die Domkirche des Heiligen Nikolaus in Balti sowie die katholischen Kirchen in Camenca und in Chisinau. Es gibt einige Kirchen, in deren Architektur sich die moldawische Baukunst des 17. Jahrhunderts eigenartig und frei mit den Klassizismen des 19. Jahrhunderts mischte, wie die Kirche des Heiligen Georg in Chisinau unter Beweis stellt. In alten Zeiten war Moldowa ein Gebiet, in das viele Armenier immigrierten. So sind Kirchen armenischer Architekten mit den nur ihnen eigenen Besonderheiten erhalten. Nach Entwürfen armenischer Baumeister wurden die Kirche der Grablegung in Belgorod am Dnjestr (15. Jahrhundert), die Gottesmutter-Kirche (1803) in Chisinau und die Armenische Kirche in Balti (Anfang des 20. Jahrhunderts) erbaut.

Niemand wird die einmalige Architektur der kleinen Dorfkirchen außer acht lassen wollen. Oft haben die Besonderheiten der nationalen, genauer volkstümlichen Baukunst diesen ihr Gepräge verliehen. Wenngleich viele Forscher dazu neigen, in den in den 60er bis 90er Jahren errichteten Kleinkirchen die Merkmale der russischen Folklore zu sehen - all diese Zwiebeltürmchen und -türme, all diese halbkreisförmigen Bögen und andere Zierumrahmungen, die uns an ein Bild aus einem russischen Märchen erinnern -, so können wir doch am Beispiel der alten, am besten erhaltenen Dorfkirchen von einer eigenen kirchlichen Baukunst Moldowas sprechen.

Aber es ist schon Zeit, die Frage zu stellen, wie denn der Stil der moldawischen Kirche zu bestimmen ist. Und - was bildet die Pointe (wenn es eine gibt) dieser Architektur? Nun, die Besonderheit bilden die einzigartigen Ideen und Umsetzungen der Projektierung. Beim Bau einer Kirche wurde zum Beispiel sehr oft ein originelles System, wie die Geschoßdekken eingearbeitet wurden, verwendet, das später unter dem Begriff "moldawisches Gewölbe" bekannt wurde. Anfang des 19. Jahrhunderts erfanden die Baumeister neue Technologien, es bildet sich der kreuzartige Kirchentyp heraus, hier sind die Pantaleons-Kirche in Chisinau oder die armenische Kirche in Hincesti zu nennen. Auch der Glockenturm erlebt einige Veränderungen: er ist jetzt mehrgeschossig, wirkt von außen graziler und ausdrucksvoller. Die Vorliebe der moldawischen Architektur für Putz und Pracht schlug sich an der Wende des 18. und 19. Jahrhunderts auch im Kirchenbau nieder. Interessant ist, daß einige Bauverfahren "frei über die Grenzen gingen" und von den Nachbarn in der Ukraine und in Belarus übernommen wurden. Im 15. und 16. Jahrhundert allerdings war noch keine Rede von Pracht und Überfluß in der Architektur. In Moldowa herrschten die Türken, das Land wurde häufig von den Tataren überfallen. Aus diesem Grund zeichneten sich die damals errichteten Kirchen durch Strenge und Minimalismus der künstlerischen Mittel aus. Der hellste Fleck aus jener Zeit ist die Steinkirche der Grablegung in Causeni, die im 15. Jahrhundert erbaut wurde.

Es ist schwierig, diesen halbkreisförmigen Bau, gedeckt mit gebranntem Mönch (eine Art Dachziegel) und einem einfachen Kreuz auf der über dem Schiff emporragenden oktogonalen blinden Trommel aus der Ferne als Kirche zu erkennen. Zur Hälfte ist das Bauwerk in den Boden eingegraben. Nur das weißsteinige Tierrelief am Eingang und die kleine blinde Trommel mit Kreuz zeugen von seiner Funktion. Aber es ist das interessanteste historische Gebäude und von vielen Legenden umweht. Die von außen so ungemein bescheidene und unauffällige Kirche ist innen mit hellen, ausdrucksstarken, rotgoldenen Fresken geschmückt - dergleichen findet sich in keinem anderen Gotteshaus in Moldowa. Aber es ist zum Weinen - die Augen der Heiligen sind ausgestochen.

Die Geschichte dieser Fresken, unter denen ein unbekannter Meister seine Signatur hinterlassen hat, ist legendär und widersprüchlich. In einer Legende heißt es, daß die Kirche heimlich gebaut wurde, damit die Türken nichts von ihrer Existenz erfuhren - aus diesem Grund gab man ihr ein bescheidenes Äußeres und hat sie zudem halb in den Boden eingegraben. Sie sollte durch nichts auffallen. Und weiter wird erzählt, daß die Kirche - als sie schon fertig war und mit leuchtenden Farben in ungewöhnlicher Schönheit ausgemalt war (übrigens wurden Pflanzenfarben benutzt, weshalb die Fresken ihre Leuchtkraft bis heute bewahrt haben) - doch von den Türken besucht wurde. Und als sie verstanden hatten, daß man sie an der Nase herumgeführt hatte und kein Speicher, sondern ein Gotteshaus gebaut worden war, stachen sie mit ihren Lanzen den Heiligen auf den Fresken die Augen aus und schwärzten ihre Bärte mit Kohle. Die Kirche wurde zu einem Stall umfunktioniert.

Die wunderbare Wandmalerei ist heute wiederhergestellt, wenngleich sie immer noch Spuren des historischen Vandalismus und der tragischen Seite der Geschichte unseres Landes aufweist. Neben den Heiligen finden wir Woiwoden (Heerführer), die wir aufgrund ihrer individuellen Gesichtszüge schnell identifizieren können. Der freie Platz zwischen ihnen ist mit den bei uns so beliebten Pflanzenornamenten geschmückt. Viel Erstaunliches läßt sich über die Kirche in Causeni berichten. Als das Fundament erforscht wurde, stellte sich heraus, daß sich die Erbauer vor 500 Jahren Mühe gaben, ein erdbebensicheres Gebäude zu errichten - so wurden an ganz bestimmten Stellen Eichenbalken als Schwingungsdämpfer eingezogen, und statt Zement nutzte man eine Kalkmischung mit körnigem Sand.


 
Nicht nur die außerhalb der Städte liegenden Klöster dienten als Festungen, oft waren es einfache Kirchen, in denen die Bewohner Schutz und Rettung vor kriegerischen Raubzügen fanden. Davon zeugen viele Beispiele, darunter die Dumitru-Kirche in Orhei (1631 bis 1636), die in der Herrschaftszeit des Hospodars (Herrscher) Vasile Lupu errichtet wurde und deren Wände beinahe 1,5 Meter dick sind. In der Sakristei gerade dieser Kirche wurden die Etalons des moldawischen Längen- und Gewichtsmaßes aufbewahrt. Kein Zufall: Eichmaße galten als nationale Heiligtümer, und die politische Lage trug dazu bei, daß man das Wertvollste stets in den Kirchen aufbewahrte. Die Zeit Ende des 17. Jahrhunderts war eine der kompliziertesten in der Geschichte Moldowas. Chisinau war von den Tataren fast vollkommen zerstört worden, erst Anfang des 18. Jahrhunderts kehrten die Bewohner langsam wieder zurück und bauten die Stadt neu auf. Gerade damals begann man mit der Errichtung der Masarachi-Kirche auf einem der Chisinauer Hügel. Als wollte man an den Eroberern Rache nehmen, wurde die Kirche in Gestalt eines altmoldawischen Domes errichtet. Dieser Kirchentyp ist in unserer Region Ende des 14. Jahrhunderts entstanden und wurde zu einer der originellsten, ja sogar einer einzigartigen Erscheinung in der Historie der einheimischen Baukunst. Der Grundriß der Kirche ist von Ost nach West klar in drei Teile gegliedert: Altar, Schiff, Anbau. An der südlichen und der nördlichen Seite schließen sich halbkreisförmige Apsiden an das Schiff an, auch der Altarraum ist in Form einer Apside angelegt. All diese Elemente sind auch für die ukrainische und die russische Kirchenarchitektur Ende des 18. Jahrhunderts kennzeichnend. Die triangelförmigen Stuckgiebel über den Fenstern, das Profil der Simse, das Volumen der hervortretenden Apsiden, das einheitliche Dach verleihen der Kirche eine eigenartige Monumentalität.

Wie bereits erwähnt, ist die fruchtbarste Schaffensperiode in der Geschichte der moldawischen Architektur das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts. In großer Zahl wurden Kirchen, Kathedralen und Klöster gebaut, was auf die Stabilisierung der politischen Situation zurückzuführen war. Rußland hatte dem Osmanischen Reich einen vernichtenden Schlag versetzt, die Länder des Balkans konnten eine Zeitlang ein wenig freier atmen. Einen neuen Aufschwung in der Kirchenarchitektur erlebte Moldowa Ende des 19. Jahrhunderts. Damals waren Architekten von Weltruf in Chisinau - und nicht nur dort - tätig.

Im Zentrum der Hauptstadt ist es unmöglich, einfach an der Heiligen Pantaleon-Kirche vorbeizugehen, die vom Architekten A. Bernardazzi entworfen wurde, der übrigens für viele Gebäude in der Stadt verantwortlich zeichnet. Die Pantaleon-Kirche ist ein Schmuckstück der moldawischen Kirchenarchitektur, und sie zählt zu den vollendetsten Kreuzkirchen in unserem Land. Der Grundriß ist in der Form eines klassischen Kreuzes mit gleich langen Armen. Am östlichen Arm schließt sich eine fünfeckige Apside an, der Glokkenturm dominiert das westliche Ende. Eine Besonderheit der Konstruktion ist das sich perpendikular überschneidende Bogenpaar, das den Zentralraum überwölbt und zugleich als Grundlage für die achtekkige Lichttrommel dient, die von einer schlanken Kuppel gekrönt ist. Die Kirchenkuppel erhebt sich über der ganzen Kirche und selbst über dem Glockenturm. Das Gebäude ist im neobyzantinischen Stil errichtet, wovon die Details zeugen. Der Ruf von der Schönheit der Pantaleon-Kirche eilte nach Rußland, nach Moskau, und die russischen Baumeister sahen in der Kirche ein echtes Baujuwel.

Rußland war im Laufe des ganzen 19. Jahrhunderts bemüht, seinen Einfluß in Moldowa zu festigen. So war man bestrebt, den russischen Stil in der Kirchenarchitektur durchzusetzen. Das Russische Reich sparte nicht an Geld für den Kirchenbau. Angesichts der riesigen Geldsummen, die zur Verfügung standen, entstanden Perlen der Kirchenarchitektur, wie die Kapelle des Mädchen-gymnasiums in Chisinau, die ebenfalls von Bernardazzi entworfen wurde, wie das Ensemble auf dem ehemaligen Domplatz mit dem riesigen Kirchendom, dem Glockenturm und dem Triumphbogen - die Kirche wird landläufig Chisinauer Kathedrale genannt. Andere Kirchen im Stil des späten Klassizismus fallen ebenfalls in diese Bauperiode.

Es ist unmöglich, alle Leistungen der moldawischen Kirchenbaukunst aufzuzählen, die in den letzten 500 Jahren entstanden. Aber über Architektur und Kirchenarchitektur zu berichten, bedeutet auch, über die Geschichte des Landes und des Staates zu erzählen. Man kann vieles verstehen, wenn man die Steine betrachtet, da braucht es keine Übersetzung in eine andere Sprache. Denn die Kirchen sind an und für sich eine in Stein verewigte Geschichte.


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Moldawischer Wein in Vergangenheit und Gegenwart

Viktoria Akimowa, Journalistin, Chisinau

Die Geschichte des moldawischen Weinanbaus ist lang und wechselhaft. Ein schrecklicher Schlag wurde der Weinwirtschaft mit Gorbatschows Antialkoholkampagne versetzt. In den Jahren der Unabhängigkeit des Landes wurde viel in diesen Wirtschaftssektor investiert. Heute kommen wieder hervorragende Weine, trockene Schaumweine und herrlicher Divin aus Moldowa.

 
Moldowa zählt zu den zehn bedeutendsten Weinbauländern der Welt. Moldawischer Wein wird weltweit exportiert: nach Großbritannien (für ihre Empfänge bestellt Königin Elisabeth II. Purcari-Weine), in die Niederlande und die USA, nach Polen, Schweden Slowenien, Ungarn, China, Japan, Kanada, ja sogar in die Arabischen Emirate, selbstverständlich auch in die GUS-Länder, wo sich Divin, Wein und Sekt aus Moldowa seit langem einer großen Nachfrage erfreuen. Nach Angaben des staatlichen Komitees "Moldowa-Vin" finden die Weine Abnehmer in 28 Ländern.

Heute werden auf 142000 Hektar Weinreben angebaut und gibt es über 180 Weinkellereien. Natürlich, jeder Dorfbewohner betreibt ein wenig privaten Weinanbau und hat in seiner Wirtschaft alle notwendigen Winzergerätschaften - Presse, Kübel und Fässer.

Die Profite aus dem Weinanbau haben einen Anteil von fünfzehn Prozent an den staatlichen Haushaltseinnahmen. Bei einer Bruttoernte von 350000 bis 500000 Tonnen Trauben im Jahr werden in Moldowa 1,2 bis 1,5 Millionen Hektoliter Wein aus den edelsten europäischen und örtlichen Sorten gekeltert. Fünfzehn Prozent der Gesamtmenge konsumieren die Moldawier selbst, der Rest geht in den Export, der jährlich auf 130 bis 150 Millionen Dollar geschätzt wird.

Wie es früher war
Der Weinanbau und die Weinkelterei blicken in Moldowa auf eine lange Geschichte zurück. Durch das Prisma dieses Wirtschaftszweiges spiegelt sich die Geschichte des moldawischen Volkes. Die ersten Hinweise darauf, daß in unserer Region Wein angebaut und verarbeitet wurde, stammen aus dem 7. und 8. Jahrhundert vor unserer Zeit. Aus dieser Epoche sind Informationen über das Leben der damaligen "Moldawier", der Geten und Daker, überliefert. Wahrscheinlich haben sie bereits früher als andere Völker die Weinherstellung erfunden. Seitdem ging es mit der Geschichte des Weines auf und ab, wie auch mit der Geschichte des Volkes, das ihn anbaute und verarbeitete.

Wissenschaftler vertreten verschiedene Ansichten über den Ursprung der Weinrebe als regionale Kulturpflanze. Der Historiker und Fachmann für Weinbaugeschichte Liviu Vacarciuc meint, die Weintraube habe sich in Moldowa durch natürliche Selektion aus wilden Traubensorten entwickelt. Er behauptet, es gebe zahlreiche Beweise dafür, daß diese Kultur hier schon im Neolithikum existierte. Untermauert wird seine These durch archäologische Ausgrabungen im nordmoldawischen Dorf Naslavcia. Hier stieß man auf Abdrücke eines Weinblattes "Vitus Teutonica", das nach Ansicht von Archäologen Millionen Jahre alt ist.

Der Weinfachmann Serghei Carpov glaubt, daß griechische Händler die Weintraube nach Moldowa gebracht haben, von diesen lernten die Geten und Daker die Traubenzucht und das Keltern. Wie auch immer, der Weinanbau und die Weinherstellung sind zu einem festen Bestandteil des Alltags der Moldawier geworden.

 
Der Weinanbau erwies sich oft als Motor der Wirtschaft. Den größten Aufschwung erlebte er in der Entstehungszeit des zentralisierten Staates der Geten und Daker, der sich vom Balkan bis zur Nordostküste des Schwarzen Meeres erstreckte. Daß das Weingewerbe hoch entwickelt war, bezeugt die Tatsache, daß der Wein in Eichenbehältern gelagert und exportiert wurde. Die symbolische Verflechtung der Rebe mit dem Eichenstamm bildet bis heute die Grundlage der Weinherstellung. In der Regel kommen nur alte, möglichst hundertjährige Eichen für die Faßherstellung in Frage. Bei uns heißt es, daß die Eigenschaften des Baums über den Wein an den Trinkenden weitergegeben werden. Qualitätsweine werden bis heute in Eichenfässern gelagert. Unter dem Dakerkönig Burebista (82 bis 44 vor unserer Zeit) reichten die Weinpflanzungen über riesige Flächen, so daß sie wilde Nomaden anlockten. Die Nomadenstämme fielen in erster Linie in die Gebiete mit ausgedehnten Weingärten ein, hielten sie diese doch für die reichsten. Nachdem Burebista dies erkannt hatte, ließ er alle Weinplantagen an den Grenzen seines Reiches zerstören und nur die im Landesinneren unangetastet. So erklärt es jedenfalls Liviu Vacarciuc. Andere Wissenschaftler vertreten den Standpunkt, daß Burebista seinen Untertanen so das Trinken abgewöhnen wollte. Hoch im Kurs stand das Weingewerbe auch in den Jahren, als Dakien von den Römern erobert wurde (1. Jahrhundert), der gesamte Landstrich wurde in eine Region des Wein- und Getreidebaus verwandelt. Aus jener Zeit sind Rebsorten wie Merlot, Bastard oder Aliatico bis in die Gegenwart übergekommen. Eine eher düstere Zeit für den Weinanbau zog mit der Herrschaft des Ottomanischen Reichs (6. bis 9. Jahrhundert) herauf. Zwar verhängten die Türken kein Weinanbauverbot, trieben jedoch die Steuern für die Weinproduktion dermaßen in die Höhe, daß sich das Geschäft nicht mehr lohnte. Zudem durften nur Tischweine kultiviert werden. Daraus erklärt sich, daß die Rebenzucht und -kelterei ein Refugium der Klöster wurde, die als erste Weinanbau- und Weinherstellungsbetriebe in Moldowa gelten. Der Wein für das Abendmahl mußte von bester Qualität sein, denn er galt als Gabe Gottes. Im 19. Jahrhundert avancierte Bessarabien, wie sich das Stück Moldowa zwischen Prut und Dnjestr nannte, zu einem der wichtigsten Weinexporteure der Region. Man baute vornehmlich heimische Rebsorten an, darunter Rara Neagra, Plavai, Galbena und Feteasca Neagra. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dann ausländische, vorwiegend französische Rebstöcke importiert.

In der neueren Geschichte wurden die Weinstöcke immer wieder von der Reblaus befallen - diese nistet auf dem Weinstock und greift schließlich die Wurzel an. Die Krankheit kam aus den USA nach Europa und bis nach Moldowa und brachte den Weinbauern riesige Verluste. Erstmals trat die Reblaus 1886 im Dorf Teleseu im Rayon Orhei auf und zerstörte binnen kurzer Zeit ganze Weingärten. 1909 vernichtete das Ungeziefer über sechzig Prozent der Rebstökke. Waren im Jahre 1847 noch 140000 Hektar mit Wein bepflanzt, so waren es 1914 nur noch 40515 Hektar.

Um der Plage Herr zu werden, selektierten die Winzer verschiedene Rebsorten: Ableger der besten europäischen Trauben wurden mit den widerstandsfähigsten Wildlingen gekreuzt. So konnte in den 20er bis 40er Jahren des 20. Jahrhunderts ein Großteil der Anpflanzungen wiederhergestellt werden.

Auch in der Sowjetzeit entwickelte sich der Weinbau in Moldowa zügig. Die Weingärten nahmen eine Fläche von über 250000 Hektar ein, die Weinproduktion erreichte zwei Millionen Tonnen jährlich - das waren 22 Prozent des in der gesamten Sowjetunion produzierten Weines.

Die Wirtschaft der Moldawischen SSR basierte fast ausschließlich auf diesem Wirtschaftszweig. Zwar war auch die Produktion hochprozentiger Spirituosen ein wichtiges Standbein, aber der Wein war das Aushängeschild der Republik. Auf dem Programm hoher Gäste aus dem Ausland stand obligatorisch der Besuch der bekanntesten Weinsowchosen und -kellereien.

Probleme und Aufgaben im Weinbau wurden auf jedem Plenum der Moldawischen Kommunistischen Partei erörtert, eingerichtet wurden das moldawische Forschungsinstitut für Weinbau und Weinherstellung sowie verschiedene wissenschaftliche Laboratorien, die sich vor allem mit der Selektion neuer und der Qualitätsverbesserung alter Sorten beschäftigten.

 
Mitte der 80er Jahre, zur Zeit der Gorbatschowschen Perestroika, fegte die Antialkoholkampagne wie ein Tornado über die Republik und reduzierte die Weinproduktion von zwei Millionen Tonnen auf die heutigen 350000 bis 500000 Tonnen. Bis heute hat niemand eine Erklärung für den Unsinn der damaligen Staatsdiener. Alle Weinbaubetriebe erhielten die strikte Anweisung, die Alkoholproduktion herunterzufahren. Parallel zu jeder Flasche Wein mußte ein Kasten Mineralwasser oder Saft produziert werden. Besonders eilfertige Chefs ließen gar die Weingärten roden. Wer sich den absurden Anweisungen widersetzte, hatte mit Repressalien und sogar mit Gefängnis zu rechnen. Im Ergebnis blieb nur noch die Hälfte der Weinanpflanzungen übrig, und zahlreiche Weinfabriken sind auf die Produktion von Fruchtsaft umgestiegen. Gorbatschows Antialkoholkampagne fügte Moldowa, ein Land mit uralten Winzertraditionen, einen enormen finanziellen und moralischen Schaden zu.

Trotzdem erlangte nach dem Zerfall der UdSSR die Branche für die Wirtschaft des jungen unabhängigen Staates wieder strategische Bedeutung. Die Sowchosen und die ihnen angegliederten Betriebe lösten sich auf, es entstanden große und winzig kleine Privatwirtschaften, die nicht nur neue Flächen erschlossen, sondern auch neue europäische Sorten kultivierten. In moderne Ausrüstungen ist in den letzten Jahren viel investiert worden. Wissenschaftler arbeiten an geschmacklichen Verbesserungen der Weine. Und Präsident Woronin hat die Weinwirtschaft zur Chefsache gemacht. Am zweiten Oktobersonntag wird jetzt das Nationale Weinfest gefeiert. Eine alte Tradition erhielt somit offizielle Anerkennung, denn im Herbst, wenn der junge Wein aufhört zu gären, luden die Winzer seit uralten Zeiten Verwandte und Freunde zur Verkostung des süßen "Tulburel" ein.

Weinwirtschaft heute
Weinanbaugebiete sind in allen geographischen Zonen der Republik anzutreffen. In Zentralmoldowa, Codru genannt, konzentrieren sich über fünf Prozent der Weingärten. Wälder und Hügel schützen sie vor Frost und Trockenheit. Hier gedeihen vor allem Chardonnay, Feteasca, Sauvignon, Riesling, Traminer Ros und Cabernet. Hier liegt Romanesti, ehemals das Weingut der russischen Zarendynastie Romanow. Aus dieser Region kommen milde Weiß- und Schaumweine, auch Divin und Balsam.

Der Südwesten oder das Gebiet Purcari ist ein schmaler Streifen am westlichen Ufer des Dnjestr. Hier spezialisiert man sich auf aromatisierte Weine und Säfte, aber auch auf die bekannten Rotweine Merlot, Rara Neagra, Cabernet-Sauvignon und Pinot Noir. Purcari war früher eine deutsche Kolonie mit Weinanbau und -herstellung und bekannt für den Wein Roussillon-Languedoc.

Im Süden wurden berühmte französische Rebsorten den örtlichen Bedingungen angepaßt: Pinot gris, Muscat blanc, Traminer ros, Gamay freaux, Cabernet. Von hier kommen gute Dessertweine, vergleichbar mit denen aus Bordeaux. Aus den im Norden gezogenen Weintrauben werden Divin sowie einfache Tafelweine wie Aligote, Pinot, Feteasca und Traminer hergestellt.

Jede Zone hat ihre bioklimatischen Besonderheiten, die dem Wein den Geschmack geben. Aligote gedeiht in allen vier Zonen, wird aber im Norden zu Weinbrand, in Zentralmoldowa zu Sekt verarbeitet. Typisch für unsere Landschaft sind Hügel und Täler. Die Landschaft selbst bietet in den sogenannten Schüsseln zwischen den Hügeln an den Sonnenhängen beste Bedingungen für den Winzer. In regelmäßigen Kreisen gepflanzt und an Holz- oder Betonstreben rankend, gleichen die Rebenschüsseln einem grünen Radargerät, das tagsüber die Sonnenwärme und nachts die Bodenwärme speichert.

Um die Sorten richtig verarbeiten zu können, braucht der Winzer umfassendes Wissen über ihre Herkunft und die klimatischen Voraussetzungen. So ist beispielsweise die Sorte Nistru, die moldawische Fachleute aus Himrung und Pierel gewonnen haben, ausschließlich für die Zubereitung von Obstkonserven und Marmelade geeignet. Daraus Wein zu keltern, wäre ein Frevel, ebenso wie aus Aligote Marmelade zu machen.

Nicht jedes Jahr ist ein gutes Weinjahr. Dazu braucht es einen trockenen und sonnigen Herbst, den wir nicht jedes Jahr haben. Nur dann reifen die Trauben ausgezeichnet und geben dem Wein sein kräftiges Bukett. Es ist ein vollmundiger, ein warmer Wein, wie Kenner sagen. Hat ein Wein neun Prozent, wurde er in einem kühlen, regnerischen Herbst geerntet, er ist nichts Besonderes. Hat er zwölf Prozent, wurde er aus den besten und zukkerreichen Trauben gekeltert. In Moldowa gelten die Jahre 1975, 1983 und 1984, 1986, 1990, 1991, 1999 und 2000 als herausragende Weinjahre.

 
Wein als Gesundmacher
In alten Zeiten schon galt Wein als Heiltrunk gegen viele Leiden. Eine Legende berichtet, daß der moldawische Herrscher Grigorie Ghica im 18. Jahrhundert schwer erkrankt sei. Die Ärzte wußten sich keinen Rat mehr, doch da meldete sich ein alter Bauer und versprach, den Herrscher zu heilen, vorausgesetzt, dieser lasse seine Geschäfte ruhen. Der alte Mann brachte Ghica in das Dorf Rudi, wo er ihm einen Monat lang Weintrauben und Wein vorsetzte. Schnell kam der Landesherr wieder zu Kräften und ließ 1777 aus Dankbarkeit gerade dort das Kloster Rudi errichten. Im Volk lebte schon immer der Glaube an die Heilkräfte der Trauben. Mittlerweile ist auch wissenschaftlich erwiesen, daß die Beeren den Säuregehalt im Körper senken, die Magentätigkeit anregen, Oxidierungsprozesse beschleunigen, die Funktion der endokrinen Drüsen normalisieren und das Immunsystem stärken. In Moldowa werden in vielen Sanatorien schwere Krankheiten mit einer besonderen Therapie behandelt (Weinbeeren, Most, Saft und Wein). Gute Weine, die Trioxistilben enthalten, verlangsamen den Alterungsprozeß der Zellen, wirken vorbeugend gegen Krebs und Ateriosklerose.

Besonders reich an Oxidationsmitteln sind die Rotweine Codru, Joc, Dionis und andere. Die Weißweine Feteasca, Aligote und Riesling haben antibakterielle Wirkstoffe, wehren Tuberkulose-, Malaria-, und Cholerabakterien ab. Gute Weine empfehlen sich bei Viruserkrankungen der Atemwege.

Beliebt ist in Moldowa Glühwein, hier Izvar genannt. Auch bei Stoffwechselstörungen kann Wein helfen. Eine seiner wichtigsten Eigenschaften besteht nämlich darin, daß er das Cholesterin senkt. Das trifft vor allem auf die aromatisierten Weine "Bukett Moldowas", "Morgentau" und auf Wermut zu.

Bei radioaktivem Strahlenrisiko soll Cahor helfen, der übrigens bei den Besatzungen von Atom-U-Booten und -eisbrechern, bei Beschäftigten in Atomkraftwerken, bei Nordpol- und Antarktisforschern sowie bei Kosmonauten täglich auf dem Speiseplan steht.

Rote Tischweine sind gut gegen Anämie. Leichte Weißweine, vor allem Schaumweine, unterstützen die Herzfunktionen. Trockene Weine eignen sich zur Behandlung von Diabetes. Bei Erkrankungen des Rückens und des Bewegungsapparates empfehlen sich mineralreiche Weine: Aligote, Feteasca, Chardonnay, Sauvignon, Riesling, Rkaziteli. Die Kleinstadt Camenca wird als Heimat der moldawischen Weintherapie bezeichnet. Im 19. Jahrhundert ließ Graf Wittgenstein aus Frankreich, Italien und der Schweiz hierher Weintrauben zur Behandlung von Kriegsinvaliden liefern. Kurze Zeit später entstand auf der Basis des Lazaretts in Camenca ein Sanatorium. Eine Weintherapie wird bei Nerven-, Herz-, Gefäß-, Leber-, Nieren- und Gallenblasenerkrankungen sowie bei Gicht empfohlen.

Zur Klassifizierung der moldawischen Weine
Die Wissenschaftler Gheorge Cozub und Emil Rusu nahmen die Klassifizierung der moldawischen Weine vor. Sie gliederten sie nach Rasse (Weine aus einer einzigen Traubensorte), Verschnitt (aus mehreren Sorten) und nach Separee (aus mehreren Sorten einer botanischen Art), nach Farbe - weiß, rot und rosé, nach Qualität - Extraqualität und einfache Qualität, sowie nach Herstellungstechnologie, also Natur- und Spezialweinen.

Divin: Zur Gruppe der in Moldowa hergestellten hochprozentigen Spirituosen zählt Divin - ein Weindestillat. Im Geschmack erinnert es an französischen Cognac. Zu dieser Gruppe gehören zudem: Brandy (Alkoholverschnitt), Merisor - Apfelbranntwein nach Art des französischen Calvados, Tuica - Pflaumenschnaps, Rachiu und Wodka.

Je nach Lagerzeit und Qualität unterscheidet man bei Divin drei Kategorien: einfache (drei bis fünf Jahre alt), höchste Klasse (mehr als fünf Jahre Lagerzeit) und Extraklasse. Der bekannteste heimische Weinbrand ist Barza Alba (Belij Aist, Weißer Storch). Gute Noten erhielten die zehnjährigen Divine Nistru, Doina, Bucuria, Chisinau, zudem die zwanzigjährigen Divine Codru, Dacia, Stefan Voda und natürlich die vierzigjährigen Victoria, President und Ambassador. Zur Herstellung moldawischer Divine werden die besten Ausgangsstoffe und die klassische Destillation genutzt. Durch die Lagerung in Eichenfässern erhält das Getränk sein blumiges Vanillearoma mit einem Hauch von Eiche und die herrliche Farbe durchsichtigen Bernsteins.

Schaumweine: Als es die Sowjetunion noch gab, wurde "Sowjetskoje Schampanskoje", eigentlich in Moldowa hergestellt, in vielen Ländern ein populäres Markenzeichen. Sekt mit diesem Etikett gibt es bereits mehr als zehn Jahre nicht mehr, doch die hiesigen Winzer können stolz auf die Nachfolgemarken sein. Die beliebtesten klassischen Schaumweine sind heute Cricova, Muscat spumant und National, die alle auf internationalen Wettbewerben Auszeichnungen und Medaillen erhielten.

Moldowa war übrigens eines der ersten Länder, das roten Sekt auf den Markt brachte. Mit seinem Aroma von Muskat und Rosenblüten kann er durchaus mit vielen weißen Schaumweinen konkurrieren.

Die Produktion von staubtrockenen Schaumweinen ist ziemlich arbeitsaufwendig. Sie werden drei Jahre in Flaschen gelagert, die ständig von Hand gerüttelt werden müssen. In Frankreich ist dies Männersache, in Moldowa aber eine reine Frauenbeschäftigung. Jede Flasche wird regelmäßig um 45 Grad gedreht, damit sich der Rückstand gleichmäßig verteilt. Pro Tag bewegt eine Beschäftigte 40000 Flaschen. Eine schwere Arbeit, und so werden nur Frauen mit einer Spezialausbildung genommen. Ist der Schaumwein reif, wird der provisorische Korken entfernt und die Flasche fest verschlossen. Haben sich die Rückstände aufgelöst, kommt ein richtiger Korken und das Etikett auf die Flasche.

Aromatisierte Weine und Balsame: Die moldawischen Spirituosenhersteller sind berühmt für ihre aromatisierten Getränke. Weiße und rote Tischweine werden zur Geschmacksverstärkung mit Aktivkohle behandelt. Hinzu kommen Kräuter, Gräser und Wurzeln von Pflanzen oder Bäumen. Diese Getränke können als Aperitif oder Cocktailzugabe getrunken werden. Die beliebtesten Weinbrände und Weine dieser Serie sind "Bukett Moldowas", "Romanita" und "Toamna". Neben aromatisierten Weinen werden Balsame produziert, die nach Schlehe, Stachelbeeren oder Pflaumen schmekken. Einen den Mund zusammenziehenden herben oder einen leichten Honiggeschmack hinterlassen die Balsame "Legenda Haiducului", "Bucuria", "Stejar" und "Amar-amar".

 
Vom Kognak zum Divin: Seit der Unabhängigkeit Moldowas sind Weine mit traditionellen sowjetischen Namen wie Portwein, Marsala, Tokajer oder Madeira aus dem Angebot verschwunden. Hier zeigen internationale Abkommen ihre Wirkung, die die Benutzung von Originalbezeichnungen nur den Ursprungsländern erlauben. Altbekannte sowjetische Kognaks heißen heute Divin, Schampanskoje ist jetzt zu Schaumwein geworden, Jeres nennt sich jetzt Schichtwein, weil bei der Herstellung das Verfahren einer intensiven Gärung durch Hefezusatz angewendet wird. Dadurch entwickelt sich die Weinschicht. Der leicht nach Nuß und Mandel, etwas salzig schmeckende moldawische Jeres heißt jetzt Ialoveni-Wein. In Ialoveni, unweit Chisinaus, befindet sich der größte Weinbetrieb Osteuropas, sein Produktionsvolumen beträgt 100000 Hektoliter. Der Betrieb besitzt eine einmalige Sammlung von Jeres-Weinen, die auf internationalen Ausstellungen viele Medaillen gewonnen haben.

Der Portwein erhielt die Bezeichnung aufgewärmter Wein mit wenig Sauerstoff. Er wird in erwärmten Gefäßen beinahe ohne Sauerstoff zubereitet. Neue Marken wie "Prometeu" basieren auf den Traubensorten Aligote, Feteasca, Rkaziteli, Saperawi, Merlot, Riesling, Cabernet oder Sauvignon.

Madeira ist ebenfalls ein erwärmter Wein mit unbeschränkter Sauerstoffnutzung. Mit zwanzig Prozent Alkoholgehalt sind dies die süffigsten moldawischen Weine, zu nennen wäre hier "Luceafar".

Marsala wurde zu karamelisiertem Wein, bei dessen Herstellung Zucker beigefügt wird, der sich beim Erhitzen in Karamel verwandelt und die spezifische Geschmacksrichtung vorgibt - hier ist der "Carpineni" zu nennen.

Die nationale Weinkollektion
Begleiten Sie mich zur Weinkellerei Cricova. Hier sind in den unterirdischen Gewölben über vierzig Millionen Liter auserlesener Weine gelagert. In der ganzen Welt gibt es nichts Vergleichbares. Die Sammlung birgt wahre Schätze. Ihr Wert wird auf einen moldawischen Staatshaushalt geschätzt.

Cricova, das ist das Sektkombinat und der Weinkeller, der in sechzig Kilometer Stollen untergebracht ist, in denen man früher Muschelkalk abbaute. Die Stollen liegen achtzig bis hundert Meter unter der Erde, wo sich konstant eine Temperatur von zehn bis dreizehn Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 95 bis hundert Prozent hält, ideal für die Weinlagerung.

Die Gewölbe bilden eine richtige unterirdische Stadt mit einem verzweigten Straßenlabyrinth. Die Straßen tragen die Namen der Weine, man nimmt also zuerst die Cabernet-Straße, um zur Pinot-Straße oder zum Isabella-Boulevard zu gelangen. Die meisten Besucher fahren in Autos oder Bussen.

Der Direktor der Weinsammlung Andrei Cholostenco sagt, in den 300 Liter fassenden Eichenfässern lagert der beste Wein. Die Fässer bestehen aus ausgesuchter französischer Eiche. Daraus werden Marken- und Sammlerweine abgefüllt. Für einfachen Tischwein wird das Ausgangsmaterial mindestens ein Jahr in den Fässern gelagert, für Markenweine länger. Für Rotweine - Dionis oder Cabernet beispielsweise - drei Jahre, danach reifen sie noch in Flaschen. Sammler-Cabernet lagert noch drei bis dreißig Jahre in Flaschen. In den Gewölben von Cricova lagert man Wein aber auch länger als vierzig Jahre.

Wie Cholostenco erläutert, kann man mit diesen Vorräten auch die schlimmsten Finanzkrisen überwinden. Jedes Lagerjahr in Cricova erhöht den Preis der Flasche um dreißig Prozent. Hier liegen beispielsweise fünf Flaschen französischer Chambly von 1936. Sotheby's versteigerte eine Flasche von 1945 für 60000 Dollar. Den Wert der Sammlung bestätigte Sotheby's Präsident, der Cricova besuchte.

Trockene Weine vertragen keine lange Lagerung, verschnittene Weine halten sich Jahrzehnte, gar Jahrhunderte, vieles hängt dabei vom Korken ab. Damit er die Flasche hermetisch verschließt, wird er versiegelt. Die Flaschen müssen horizontal lagern, damit der Korken nicht austrocknet. Die wertvollste Flasche in Cricova ist ein jüdischer Passah-Wein, 1902 in Jerusalem abgefüllt. Vor fünfzig Jahren bot ein ausländischer Besucher 100000 Dollar dafür. Welchen Wert er heute hat, ist kaum zu sagen.

Cricova besitzt eine weitere Flasche aus dem Jahr 1902 - einen Likör, mit dem sich heutige Liköre nach Geschmack und Rezeptur nicht einmal annähernd vergleichen lassen, meinen Fachleute. Diese Flasche wurde in Tschechien in einem pharmazeutischen Familienbetrieb hergestellt, der Ende des 19. Jahrhunderts gegründet worden war. Der Likör basiert auf Heilkräutern - und hat nichts von seinem Geschmack verloren.

In den Gewölben von Cricova lagern zudem Flaschen aus der Sammlung Hermann Görings, der ein besessener Weinsammler war. Seine Kollektion, die nach dem Krieg als Kontribution an die Moldawische Sowjetrepublik ging, bildete 1952 den Grundstock der moldawischen Weinkollektion. Heute lagern hier 2000 Flaschen aus der Göring-Sammlung. Insgesamt findet sich in den unterirdischen Gewölben von Cricova rund eine Million Flaschen erlesenster Köstlichkeiten.
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Und traurig schaut, vergessen, der Holzschnittchristus...

Jelena Schatochina, Journalistin, Chisinau

An jedem Brunnen, jeder Quelle, jeder Kreuzung und entlang der Straßen - überall finden sich Holz-, manchmal Steinkreuze mit Christusdarstellung. Die Holzschnitzerei ist eines der ältesten Kunsthandwerke Moldowas. Mit Holzschnitzereien werden die Häuser geschmückt, die Haus- und Wirtschaftsgegenstände. Oft findet der Holzschmuck in den Steinverzierungen an den Häusern und Kirchen eine Weiterentwicklung.

 
Und traurig schaut, vergessen, der Holzschnittchristus auf den Weg, so lautet eine Zeile aus einem Lied des russischen Chansonsängers Alexander Wertinski, der Anfang des 20. Jahrhunderts lebte und den ein Gastspiel durch Bessarabien führte. Die Texte zu seinen Liedern schrieb er selbst. Auch ihn faszinierte, was wohl jeden staunen läßt, der durch die moldawischen Dörfer kommt - überall an den Wegen, an Kreuzungen, an Brunnen, an den Einfriedungen kleiner Kirchen und auf den Friedhöfen findet sich ein holzgeschnitzter Christus am Kreuz. Und überall sind sie gut sichtbar plaziert. Der hölzerne Christus ist keineswegs vergessen in Moldowa. Ganz im Gegenteil. Diese sakrale Kultfigur wird auch Anfang des 21. Jahrhunderts sehr verehrt. Der Gast kann, wenn er aufmerksam hinschaut, an den alten Schnitzereien und den Nachahmungen der jüngsten Zeit viel über den moldawischen Charakter erfahren, den naiven, volkstümlichen Glauben an das Gute und die Gerechtigkeit.

Literaten sahen in diesen Skulpturen das, was als mioritisches Volksbewußtsein bezeichnet wird. Sie kennen unser Nationalepos "Miorita" nicht? Vom Hirten, dem das sanfte Schaf Miorita den Tod prophezeit. Doch tötet der Hirte den Überbringer der schlechten Nachricht nicht, sondern erwartet demütig die Schrekkensstunde, blickt in den Sternenhimmel und sinniert über das Leben.

Wie dem auch sei. Die in ganz Moldowa anzutreffenden und von vielen Generationen namenloser Meister gefertigten Holz- und Steinskulpturen haben eine berührende Ausstrahlung, bergen ein unergründliches Geheimnis, das nie ganz entschlüsselt werden kann. Und vielleicht sollte man es auch gar nicht versuchen, denn mit der Entschlüsselung verlören die Schnitzereien das Geheimnisvolle, das aus dem tiefsten Innersten des Volkes kommt. Die moldawische Holz- und Steinskulptur beflügelt bis heute die Phantasie der Dichter, und mehr noch, sie übt nach wie vor einen starken Einfluß auf die professionellen Kunsthandwerker der Gegenwart aus. Obwohl die alten, etwas groben Schnitzereien mit der Zeit völlig verwittert sind, haben sie das Expressive bewahrt, vermitteln sie das Versöhnliche, die unbeschreibliche Trauer in den Jesusgesichtern. Niemals ist es ein nach dem Kirchendogma gestaltetes Antlitz, sondern stets ein Bauerngesicht, abgehärmt von der schweren Alltagsarbeit, aber alles vergebend. Um diese Ausdruckskraft zu erreichen, setzten die Kunsthandwerker unterschiedliche Techniken ein: Flach- und Hochrelief, Rundskulptur, filigrane Ornamentschnitzerei, dreikantige Aushöhlungen und eine Reihe anderer seltener Verfahren. Der rumänische Bildhauer Broncus, der Anfang des 20. Jahrhunderts nach Frankreich emigrierte, schuf die berühmten Steinskulpturen "Säule der Ewigkeit", "Tisch des Schweigens", "Tor zum Kuß" und weitere, alles Meisterwerke. Formen und Details wie Schwalbenschwanzornamente, kleine Zacken und Kronen entlehnte er der volkstümlichen Baukunst sowie den Holz- und Steinskulpturen unserer Region.

Der Kunstfotograf und Kameramann Pawel Balan veröffentlichte vor einiger Zeit ein Photoalbum mit Holzskulpturen. In seinem Vorwort schrieb er: "Diejenigen, die nicht wußten, wie man eine Feder in der Hand hält, verewigten die Bauern aus ihrem Dorf in Holz und Stein, verwandelten den Friedhof in ein Buch mit Charakterbildern, auf denen Regen und Wind Spuren hinterlassen haben." Balans Album fand große Resonanz in Moldowa, und für diese Arbeit erhielt er den Staatspreis.

 
Die komplizierte, oft tragische Geschichte unserer kleinen Republik spiegelt sich in den rauhen geschnitzten oder gemeißelten Gesichtern wider. Die ältesten erhaltenen moldawischen Holz- und Steinfiguren sind 400 bis 600 Jahre alt! Seit grauen Vorzeiten gilt Holz bei uns als bestes Baumaterial. Es diente aber auch immer dazu, Stimmungen und die Idee von Schönheit festzuhalten. Die Meister aus dem Volk schufen mit ihren Arbeiten Chroniken ihrer Zeit. Aber sie stellten weder Kriege noch Feindschaft noch Scharmützel dar, sondern Vögel, Tiere, die Gesichter ihrer Eltern, Kinder und Nachbarn. So nahm die Volkskunst ihren Anfang. Mit Holz und Stein.

Eine große Sammlung geschnitzter Darstellungen der Gottesmutter, des gekreuzigten Christus und vieler Heiliger aus dem 18. und 19. Jahrhundert ist im Besitz des Zentralen Kunstmuseums in Chisinau. Erstaunlich erscheint mir, daß der Brauch, den Gekreuzigten an Brunnen und Quellen aufzustellen, die oft nach Heiligen benannt sind, bis in die Gegenwart überliefert ist.

Anders als bei den Russen, die ihre Gräber mit einem einfachen Kreuz schmücken, stehen auf moldawischen Friedhöfen Kreuze mit einem kleinen Dach - wie ein Haus, das Schutz bietet vor Regen und Wind.

Eine andere Kostbarkeit ist der Holzschmuck an Kirchen und Häusern, an Grabeinfassungen und auf den Kirchhöfen. Da finden sich echte Meisterwerke, wie das Dekor der Dreifaltigkeitskirche im Dorf Larga, der Auferstehungskirche im Dorf Hodorouti, der Kirche des Heiligen Nikolai im Dorf Horodiste und der Kirche im Dorf Curchi unter Beweis stellen. Die Verzierungen sind oft 300 und 500 Jahre alt.

 
Das Haus ist den Moldawiern heilig, es ist Ziel und Sinn des Lebens der Familien. Für das Heim wird der größte Teil des Einkommens ausgegeben. Man baut und bessert ein Leben lang nach. Brautleute träumen vom eigenen Haus. Die Menschen nehmen viele Opfer und Entbehrungen auf sich. Dem Moldawier bedeutet die "Casa" (das Haus) mehr als nur eine Bleibe, er sieht in ihr einen über dem warmen heimischen Herd errichteten Tempel. An der Holzverzierung der Häuser konnte seit alters her jeder die Tüchtigkeit des Besitzers messen, und so ist es auch heute noch. Das Schnitzwerk unterscheidet sich von Region zu Region und auch innerhalb der Regionen. In Zentralmoldowa beispielsweise besteht eine Besonderheit in den reich verzierten hohen Zäunen, Toren und Pforten, hinter denen sich die Häuser verstecken. Glatte Holzflächen mit filigranen Auflagen und ausgesägten Ornamenten verleihen einem einfachen Tor etwas Monumentales, Festliches. In der Regel liegt das Dach auf einer Längsseite auf Holzsäulen, das ergibt eine Art Loggia.

Im Norden hingegen steht das Bauernhaus mit der Fassade zur Straße. Hier wird es von keinem Zaun, von keiner Mauer verdeckt, den Blickfang bildet stets der Vorbau mit einem pfeilförmigen Dachfirst. Die folkloristisch gestalteten kleinen Dachfenster, der Giebel und der Dachkamm sind mit Spitzenmustern eingefaßt. So sieht das Haus irgendwie fein, gar märchenhaft aus. Wie um dieses Märchenhafte zu unterstreichen, bemalen einige Besitzer die Holzteile ihres Hauses mit bunter Farbe, aber das kommt eher selten vor.

Besonders üppigen Holzschmuck weisen die Häuser im Süden auf. Typisch ist das Satteldach, dessen Stirnseite zur Straße zeigt. Im Mittelpunkt liegt gerade der Giebel. In der Regel besteht er aus einem großen First, mehreren Gesimsreihen, deren Ränder mit Zacken und Kronen verziert werden. Zierleisten mit ausgefallenen, Ornamenten verschönern die Giebelseite.

 
Man kann nur staunen über die reizenden Holzverzierungen an den Neben- und Wirtschaftsbauten auf den kleinen Bauernhöfen und größeren Anwesen - Schuppen, Garage, der Hühnerstall, das Lager für den Futtermais, der Brunnen, alles erhält besondere Schmuckelemente. Leider wird heutzutage mehr und mehr Metall statt Holz verwendet. Zwar geben sich die Metallpräger Mühe, die Verfahren der Holzschnitzkunst zu übernehmen, doch es ist eben Metall. Und sei die Metallverzierung noch so bezaubernd, sie hat einen toten Glanz. Ihr fehlt die Wärme des Holzes. Wahre Meister lassen im Gewöhnlichen das Besondere entstehen. Mit drei einfachen Werkzeugen - Beitel, Hammer und Säge - schufen und schaffen sie ein wunderbar leichtes Dekor. Die moldawischen Bauern haben wohl bewußt verschiedenes Schmuckwerk zum Begriff "Horbotica" zusammengefaßt, das Wort bedeutet Spitze und ist ein Hinweis auf die Verbindung zum Sticken und zum Weben. Manchmal erinnern die Holzmuster an den Hausveranden in einem einfachen Dorf an prächtig gestaltete Buntglasfenster mittelalterlicher Schlösser. Gut gearbeitet sind die Türen, auch das hat eine lange Tradition. Das Türglas wird in virtuos geschnitzte Rhomben oder Halbkreise eingepaßt. Auf Haushalts- und Wirtschaftsgegenstände, Schlitten, Leiterwagen, Spinnrocken und Wollkämme, ja sogar auf einfache Heugabeln wurde große Mühe und Sorgfalt verwendet.

Die schönsten Fragmente und Muster der Holzschnitzkunst können im Ethnographischen Museum in Chisinau bestaunt werden. Der Beruf des Holzschnitzers zählt heute zu den seltenen, aber hoch angesehenen im Lande. Wer außer ihnen fertigt denn den berühmten Burlui, den Weinkrug mit engem Hals, der auf keinem Hochzeitsfest fehlen darf? Oder die beliebten Löffel? Natürlich, viele Möbelfabriken haben eine Souvenirabteilung und beschäftigen tüchtige Meister. Trotzdem. Auf dem Dorf, in der freien Natur sind der Phantasie des Schnitzers keine Grenzen gesetzt. Und jeder Gegenstand trägt eine individuelle Handschrift.

Zum Schnitzen sind alle Hölzer gut, mit denen unsere Heimat reich gesegnet ist: Eiche, Erle, Nußbaum, Kirschbaum, Linde, Ahorn, Ulme, Buchsbaum, Birnbaum, Berberitzenstrauch! Jedes Holz gibt dem Gegenstand einen eigenen, unverwechselbaren Farbton - von kupferfarben bis violett, von rosa bis schwarz, von braun bis golden. Die schönsten Schnitzereien kommen aus den Dörfern um das Waldgebiet Codri - Varsareseti, Suruceni, Bardar, Varniceni. Wenn wir über die Holzschnitzerei sprechen, so dürfen wir das Steinschneiden nicht unerwähnt lassen, denn es ist ein wichtiger Bestandteil sowohl der moldawischen Volkskunst als auch des Städtebaus. Oft finden wir Angleichungen von Holz- und Steindekor. Wissenschaftlich erwiesen ist, daß die Steinmetze von den Holzschnitzern Ornamente, Techniken und sogar die Werkzeuge abgeschaut haben, denn die künstlerische Bearbeitung des Steins verbreitete sich in Moldowa später als die Holzbearbeitung. Viele alte Kirchen und Festungen weisen noch Spuren der erstaunlichen Kunstfertigkeit der "Meister in Stein" auf - wir erfreuen uns an den Wandmustern und an Verzierungen in Form eines Blattes, eines Kreuzes oder einer Vogelfeder.

 
Die interessantesten Steinmetzarbeiten in der ländlichen Architektur finden sich in Zentralmoldowa, zu nennen sind hier die Dörfer um die Stadt Orhei: Branesti, Ivancea, Seloboc, Trebusteni, Furceni. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts bildete sich hier ein eigener Architekturstil heraus, dessen Besonderheit in steingeschnittenen Häusergängen liegt, die das Dach stützen. Meist werden sechs schlanke und wohlproportionierte Säulen errichtet, die das wichtigste Element sind. Eine Säule besteht meistens aus dem Sockel, der die Säule trägt, und ausladenden Kapitellen. Die Struktur des Steins wie der Säulen wird durch längs des Säulenstiels eingeritzte Rillen betont. Diese Rillen werden mit roter, blauer oder gelber Farbe ausgemalt, und gleich sieht die Säule heiter aus. Auch in das Geländer mit seinen kleinen Pfosten werden Rillen geritzt und mit komplizierten geometrischen und floralen Motiven verziert.

Das "alte Chisinau", das zum Großteil aus dem 19. Jahrhundert stammt, weist viele Gebäude mit üppigstem Steinmetzschmuck auf, darunter architektonische Kleinode wie das berühmte Hertz-Haus, das Didiani-Gymnasium oder das Rathaus. Die Uhr des Stadtturms spielt das Lied des zeitgenössischen Komponisten Evgeni Doga, das mit den Worten über Chisinau beginnt: "Meine weiße Stadt, Blume aus weißem Stein..."

Leider sterben die Steinmetztraditionen in Moldowa langsam aus. Noch kann man in der Stadt mit großer Mühe unter den professionellen Bildhauern Steinmetze finden, auf dem Land jedoch ist jemand, der diese Kunst beherrscht, Gold wert, obwohl gerade hier die Fertigung von Grabsteinen und des Steinschmucks an Kirchen eine alte Tradition ist. Erst kürzlich hörte ich eine rührende Geschichte über den bekannten Maler Mihai Grecu, der zeitlebens eine uralte holzgeschnitzte Kreuzigung bei sich aufbewahrte. Eine von den auf verlassenen Friedhöfen oder an einem Brunnen gefundene Darstellung, über die ich eingangs geschrieben habe. Grecu starb. Und die Familie wollte diese einmalige Schnitzerei in Stein schneiden lassen und als Grabstein für den Maler aufstellen. Nach langem Suchen fand sie endlich einen jungen Bildhauer, der langsam, Schritt für Schritt, die Holzkreuzigung in Stein kopierte. Zwei Jahre brauchte er für die mühselige Arbeit an dem nur einen Meter hohen Gedenkstein. Vor kurzem wurde er nun endlich aufgestellt. Eine Geschichte mit gutem Ende. Die Kunst ist nicht tot, sie lebt ewig.
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Was der Montmartre von Chisinau an Schönem bietet

Alena Ogneva, Journalistin, Chisinau

 
Haben Sie sich je an einer schönen Volkstracht erfreut oder auf einem weidengeflochtenen Stuhl entspannt, je ihre Geldbörse in einer reich bestickte Schultertasche versenkt oder den jungen Wein aus einem wunderbar geformten Keramikkrug getrunken? Reich ist das Kunsthandwerk in Moldowa, aber um es kennenzulernen, muß man in die Provinz fahren.
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Zu Besuch in den Parks, den Hegewäldern und Schutzgebieten

Jelena Schatochina, Journalistin, Chisinau

"Land der hundert Hügel" im Nordwesten Moldowas
 
Kleines malerisches Moldowa mit sanft-samtenen Hügeln, idyllischen Seen sowie alten Heiden und exotischen Waldgebieten. Moldowa lädt zu beschaulichem Reisen und Betrachten, zu langen Spaziergängen und lustvollem Wandeln durch Park- und Gartenanlagen der ehemaligen Gutshäuser und adeligen Sommerresidenzen ein. Viel wird getan, um die Natur zu schützen und die Naturdenkmäler zu bewahren.
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Soroca - herrliche Festung am Dnjestr

Britta Wollenweber, Redakteurin "Wostok"

 
Soroca - verheißungsvoller Name. Soroca, das klingt doch schon nach Festung, nach Steinen, und es soll eine gut erhaltene Verteidigungsanlage sein, die hier hart am Dnjestrufer angelegt wurde. Von den vier steinernen Dnjestr-Festungen, die die Verteidigungslinie im Mittelalter bildeten - Hotin, Soroca, Tighina und Cetatea Alba - existieren nur noch Soroca und Tighina. Letztere leider nur als nicht zu besichtigender Militärstützpunkt.
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Der Krähe hat der liebe Gott 'ne Nuß geschenkt

Sascha Mentschikowa, Journalistin, Chisinau

Vorbereitungen für das große Festessen
 
Besucht man nur einmal den Zentralen Markt in Chisinau, wird man sich gleich eine Vorstellung von der vielfältigen und einfallsreichen nationalen Küche in diesem kleinen, aber ungemein fruchtbaren Landstrich machen können. Gemüse in ungemeiner Pracht und Vielfalt, Kräuter und Gewürze, Fleisch und Fisch, nicht zu vergessen den Wein, den man hier kosten kann, und Berge von Brot. Damit hat man im Prinzip alle Komponenten, die die moldawische Küche auszeichnen, die sich leicht und in wunderbarer Harmonie von Gemüse und Fleisch gibt.
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Die Realität des modernen Lebens auf der Theaterbühne

Dumitru Crudu, Journalist, Chisinau

"Warten auf Godot" im Theater "Luceafarul"
 
Ein Blick in die Theater der Republik Moldowa zeigt, daß die Inszenierungen - egal ob es klassische Dramen oder Stücke zeitgenössischer Autoren sind - stets die Widerspiegelung des realen Lebens - und eines gar nicht einfachen, sondern höchst komplizierten - in der kleinen Republik sind. Die Regisseure greifen nicht nur gesellschaftliche Stimmungen auf, sondern widmen sich sehr realen Fragen der Identität, des Bürgerkrieges und seiner Folgen, des Mädchen- und Frauenhandels.
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Das Wechseln der Räder - zur modernen Kunst Moldowas

Dumitru Cudru, Journalist, Chisinau

 
In Chisinau lassen sich einige Ausstellungsorte finden, in denen man die Kunst des heutigen Moldowas kennenlernen kann. Es gibt einige wenige Galerien und vor allem den Zentralen Ausstellungssaal in Chisinau. Das Nationale Kunstmuseum stellt ebenfalls immer wieder Räumlichkeiten für die Präsentation moderner Künstler zur Verfügung. Auch im Historischen Museum werden schon mal Künstler vorgestellt - dann mit schöner Einführung. Dem Traditionalismus hat man abgeschworen, neue Richtungen der Kunst beginnt man zu füllen.
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