Politik

"Belarus ist an einem umfassenden Dialog interessiert" [ Abstract ]
Die Wahlen in Belarus - Ergebnisse und Schlüsse [ Abstract ]
Unbemerkte Wahlen in den Regionen [ Volltext ]
Gouverneurswahlen in Rußland im Jahre 2000 [ Abstract ]
Krise in der rechtsliberalen Opposition [ Abstract ]

"Belarus ist an einem umfassenden Dialog interessiert"
Interview mit dem belarussischen Botschafter Wladimir Skworzow

Botschafter Skworzow stellt seine Sicht der Vorbereitung und Durchführung der Parlamentswahlen in Belarus und der daraus resultierenden innenpolitischen Entwicklungen im Hinblick auf die in diesem Jahr anstehende Präsidentschaftswahl dar. Dabei schätzt er auch die Rolle der OSZE und der Technischen Mission ein und erläutert die Haltung und Einschätzung der internationalen und nationalen unabhängigen Wahlbeobachter. Er äußert sich zur belarussisch-russischen Union und deren Perspektiven.
(Teil II des Interviews mit den Themen Wirtschaft, Beziehungen zwischen Belarus und der EU beziehungsweise zu Deutschland folgt in Wostok-Newsletter 2/2001, der Ende Januar erscheint)
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Die Wahlen in Belarus - Ergebnisse und Schlüsse

von
Nikolai Statkewitsch, Vorsitzender der Belarussischen Sozialdemokratischen Partei (NG)


Wurden aus politischen Freunden Feinde?
 
Bei den Parlamentswahlen im Herbst hat die überwiegende Mehrheit der belarussischen Opposition zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Einige Oppositionspolitiker entschieden sich ungeachtet des Boykottaufrufs, trotzdem an den Wahlen teilzunehmen. Ein Teil von ihnen wurde zwar zur Wahl zugelassen, aber einen Wahlerfolg erzielte kaum einer von ihnen. Die Behörden hatten sich gut auf die Wahlen vorbereitet und nutzten sie als Testfeld für die in diesem Jahr anstehende Präsidentschaftswahl. Ein Sieg der Opposition bei der Präsidentschaftswahl wird davon abhängen, ob man sich auf einen gemeinsamen Kandidaten und ein gemeinsames Herangehen verständigen kann.
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Unbemerkte Wahlen in den Regionen

von
Grigori Melamedow, Politologe, Moskau


Die Wahlen zu den Parlamenten einiger Föderationssubjekte im Herbst letzten Jahres verliefen von großen Teilen der russischen Gesellschaft vollkommen unbemerkt. Die Wahlbeteiligung war extrem niedrig, der Anteil derjenigen, die "Gegen alle" stimmten, beachtlich hoch, der Einfluß der regionalen Exekutive auf den gesamten Wahlprozeß stark, und die rechten Reformkräfte konnten keine Zugewinne erzielen. Insgesamt läßt sich nach diesem Wahlmarathon feststellen, daß die Bevölkerung der gesetzgebenden Macht im politischen System immer weniger Wichtigkeit beizumessen scheint.

Im vergangenen Herbst fanden in den Gebieten Tula, Tschita, Sachalin, Kaliningrad, Kaluga, Kurgan und Iwanowo, der Republik Mari-El sowie in den autonomen Gebieten der Aginer Burjaten und der Ust-Ordyner Burjaten Wahlen zu den regionalen Parlamenten statt. In einigen Regionen gab es zudem Nachwahlen für die vakanten Sitze in der Staatsduma. Verglichen mit den Gouverneurswahlen beschäftigten sich die zentralen Massenmedien mit diesen Wahlen fast nicht und belegten somit am offenkundigsten, daß die Legislative im Vergleich zur Exekutive eine untergeordnete Rolle im politischen System Rußlands spielt.

Die demokratischen Kräfte konnten bei den Wahlen in die regionalen Parlamente keine Zugewinne erzielen
 
Die Wahlen förderten eine ganze Reihe besorgniserregender Trends zutage. Wir konnten beobachten, daß sich die Wahlgesetzgebung in Rußland immer noch nicht ausgestaltet hat. Wir mußten zur Kenntnis nehmen, daß über die Hälfte der Wahlberechtigten eine Beteiligung an den Wahlen entweder überhaupt ablehnt oder nur zu den Wahlurnen geht, um gegen ausnahmslos alle Kandidaten zu stimmen - meiner Ansicht nach eine Zeitbombe. Erstens kann man den legitimen Charakter der Machtorgane jederzeit in Zweifel ziehen, da diese nur von einer Minderheit der Bevölkerung gewählt worden sind. Zweitens beteiligen sich vor allem konservative Bürger, die entweder für die Kommunisten oder für diejenigen stimmen, die ihnen die Beamten der Exekutive nennen. Was die potentiellen Anhänger der Reformen, also die Jugend, die Intelligenz und den städtischen Mittelstand, betrifft, sind eben diese Schichten geneigt, ihren Protest gegenüber der Macht durch Nichtteilnahme an den Wahlen zum Ausdruck zu bringen. Es versteht sich von selbst, daß diese Faktoren den Einzug demokratisch gestimmter Abgeordneter nicht gerade fördern.

Zudem hat sich gezeigt, daß die politischen Parteien in den Regionen eine extrem unwichtige Rolle spielen (allein die KPdRF macht da zum Teil eine Ausnahme). Dies bedeutet, daß das politische Leben nach wie vor im engen Kreis der politisierten Bewohner der Metropolen konzentriert ist. Die Wahlen bestätigten letztendlich, daß die Verwaltung beziehungsweise die Behörden den Wahlprozeß weitgehend beeinflussen können. Die bestehenden Gesetze, die genau dies verhindern sollen, können den Druck der Verwaltungen bestenfalls mindern. Nimmt man all dies zusammen, muß man zwangsläufig zu dem Schluß kommen, daß das politische System in Rußland zwar der Form nach demokratisch bleibt, seinen demokratischen Inhalt jedoch zunehmend verliert.

Probleme der Gesetzgebung

Die föderale Gesetzgebung bestimmt lediglich die allgemeinen Prinzipien des Wahlprozesses, wie den alternativen Charakter der Wahl, das Recht auf geheime Abstimmung, die Institution der Wahlbeobachtung, das Verfahren der Stimmenauszählung, das Recht der Wahlkommission, die Ausgaben der Kandidaten zu kontrollieren, das Verbot verfassungswidriger Wahlwerbung. In jeder Region existieren jedoch eigene Wahlgesetze, die, obwohl sie sich alle im Rahmen der gesamtrussischen Gesetzgebung bewegen, große Unterschiede aufweisen. Die Wahlgesetze der Föderationssubjekte verändern sich andauernd, und angesetzte Wahlen werden aus politischen Überlegungen oft verschoben, wodurch ernste Konflikte ausgelöst werden. Es gab einige Fälle, in denen das Oberste Gericht feststellte, daß die regionalen Gesetze den föderalen zuwiderlaufen. Den Föderationssubjekten wurde daraufhin auferlegt, in einer bestimmten Frist die notwendigen Änderungen an den Gesetzen vorzunehmen.

In den meisten Regionen werden die Parlamentswahlen in Direktwahlkreisen durchgeführt, deren Zahl je nach Einwohnerzahl und anderen Faktoren variiert. In der Gesetzgebenden Versammlung der Republik Mari-El gibt es beispielsweise 67 Sitze und entsprechend auch 67 Wahlkreise. Im Autonomen Gebiet der Aginer Burjaten hingegen sind es lediglich fünfzehn Sitze. Einige wenige Subjekte sind in mehrere Mehrmandatsbezirke gegliedert. Im Gebiet Kurgan kandidieren die Abgeordneten in elf Bezirken. Aus jedem dieser Bezirke ziehen die drei Kandidaten, die die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten, ins regionale Parlament ein. Ein analoges Schema gilt auch auf Sachalin - die Halbinsel ist in neun Dreimandatsbezirke eingeteilt worden.

Bei den Wahlen zu den regionalen Parlamenten stellen sich in der Regel Einzelpersonen zur Wahl. Die Höhe der Gelder für die Wahlkampagne und die Finanzierung insgesamt können in verschiedenen Regionen deutlich differieren. Die Kandidaten können ihre Mitgliedschaft in einer Partei angeben, müssen dies aber nicht. Die Parteien und gesellschaftlichen Bewegungen veröffentlichen ihrerseits häufig Listen mit den Kandidaten, die sie unterstützen. Die Wähler stimmen jedoch in den Wahllokalen nicht nach Parteilisten, sondern für einen konkreten Kandidaten. Eine Ausnahme bildet das Gebiet Kaliningrad. Dort werden 27 der insgesamt 32 Abgeordneten direkt gewählt, fünf Sitze sind den Parteien vorbehalten. Diese Sitze werden wie in den meisten europäischen Parlamenten nach dem Verhältniswahlrecht vergeben, wobei die Fünf-Prozent-Klausel gilt.

Die Wahl in einem Wahlkreis kann in zwei Fällen für ungültig erklärt werden: wenn die Wahlbeteiligung unter der festgelegten Mindestgrenze (in der Regel 25 Prozent) liegt, oder wenn mehr Wähler ihre Stimme "Gegen alle" abgegeben haben als für den Kandidaten, der die meisten Stimmen erhalten hat. Das letztere Prinzip wird in allen Regionen befolgt, während die Höhe der Mindestwahlbeteiligung variiert. So müssen im Gebiet Tula nur zwanzig Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben.

Aktivität der Wähler und Einfluß der Verwaltung

In Rußland ist der Trend einer immer weiter sinkenden Wahlbeteiligung zu beobachten. Infolgedessen sind Wahlen auch immer häufiger ungültig. Im Parlament der Republik Mari-El sind wegen zu geringer Wahlbeteiligung neun Sitze, im Gebiet Tula acht Sitze und im Gebiet Kaliningrad vier Sitze vakant. Einen seltenen Fall gab es im Gebiet Tschita: In insgesamt neun Bezirken waren die Wahlen wegen zu niedriger Wahlbeteiligung ungültig. Im gesamten Gebiet gingen nur 26 Prozent der Wähler zu den Wahlurnen. Aber auch in anderen Regionen, mit Ausnahme der kleinen Autonomen Gebiete und des Gebiets Kurgan (mit einem niedrigen Anteil der Stadtbevölkerung), lag die Wahlbeteiligung selten höher als vierzig Prozent. Höher war sie in den Föderationssubjekten, in denen die Abgeordneten und der Gouverneur zeitgleich gewählt wurden. Man ging zu den Wahlurnen, um den faktischen "Gebietsherrn" zu wählen, und stimmte quasi "nebenbei" auch über die Abgeordneten ab.

Das ausgeprägt schwache Wahlinteresse und der relativ hohe Prozentsatz derjenigen, die "Gegen alle" stimmen, sind eindeutige Beweise für eine Krise des politischen Systems. Studien und Umfragen beweisen, daß im allgemeinen Bewußtsein der Bevölkerung ein sehr konkretes Bild der Macht besteht: Sie gilt als extrem korrupt, sorgt sich nur um die eigenen Interessen und ist unfähig, das Leben der Bürger zu verbessern. Während aber die Menschen mit der ausführenden Macht - in Gestalt der Gouverneure oder Bürgermeister - mitunter sogar sympathisieren, betrachten sie die Arbeit der Parlamente häufig als etwas, das überhaupt nichts mit ihren Alltagsbedürfnissen zu tun hat. Hier kommt natürlich das Mißverhältnis der Verteilung der Befugnisse zum Ausdruck, das für ganz Rußland gilt: Die Exekutive hat Vorrang vor der Legislative.

Besonders aktiv beteiligt sich an den Wahlen, wie vorderhand erwähnt, die konservative Bevölkerung - also die Landbevölkerung und die Rentner, deren Mentalität noch in der sowjetischen Zeit geprägt wurde. In der Sowjetzeit war die Teilnahme an den Wahlen praktisch Pflicht, und dieser Leitsatz prägt die konservative Bevölkerung heute noch. Auf dem Land besteht außerdem ein starker Druck seitens der Verwaltung, zudem sind die Wähler selbst geneigt, den Anordnungen der "Obrigkeit" zu folgen. Die Stadtbevölkerung, die Jugend und überhaupt diejenigen, die sich an die postsowjetischen Bedingungen angepaßt haben und ihr Recht auf Nichtteilnahme kennen, zeigen dagegen geringere Wahlbereitschaft. Dieser Umstand dient natürlich vor allem der "Partei der Macht" und den Kommunisten, das heißt den Kräften, die vornehmlich von den konservativen Bürgern bevorzugt werden.

Die Verwaltung hat große Möglichkeiten, die Wahlen zu beeinflussen. Zwar ist eine direkte Einmischung der ausführenden Gewalt in den Wahlprozeß per Gesetz verboten. Die Gouverneursstrukturen können ihren Anhängern jedoch viele Vorteile und Vergünstigungen verschaffen und das Leben der ihnen ungenehmen Kandidaten sehr erschweren. Ausnahmen bilden Regionen, in denen die Exekutive zwischen Anhängern des Gouverneurs und des Bürgermeisters der Gebietshauptstadt gespalten ist. Als alternative politische Machtzentren können auch Finanzindustriemonopole auftreten, wenn sie in der jeweiligen Region aktiv sind und in Opposition zur örtlichen Verwaltung stehen. Eine Faustregel lautet: Je mehr Gruppen des Großkapitals in einer Region vertreten sind, desto vielfältiger sind auch die politischen Kräfte, die an den Wahlen teilnehmen.

In der Gebietsduma von Irkutsk haben sich die Abgeordneten faktisch in Anhänger des Gouverneurs Boris Goworin und Anhänger des größten ansässigen Konzerns Irkurtskenergo gespalten. Der Direktor von Irkutskenergo führt die Opposition im Parlament. Im Gebiet Sachalin hingegen treffen wir auf ein völliges Einvernehmen zwischen dem Verwaltungschef und den Direktoren der örtlichen Erdöl- und Erdgasunternehmen. Diese Kräfte haben sich vereinigt und kontrollieren die regionale Duma vollkommen.

Rolle der politischen Parteien

Ein allgemeiner Trend der Wahlkampagnen im Herbst des letzten Jahres besteht darin, daß die überwiegende Mehrheit der Kandidaten nicht an eine Partei gebunden ist. Wo aber Kandidaten als Parteikandidaten antraten, gewannen die Kommunisten und die Vertreter der "Einheit". Im Gebiet Tula übernahmen die Kommunisten zwölf Mandate und die "Einheit" neun. Im Gebiet Kaliningrad erzielte die "Einheit - Bewegung zur Unterstützung des Präsidenten" sechzehn Prozent und die KPdRF vierzehn Prozent. Viele Stimmen (13,2 Prozent) erhielt in Kaliningrad auch die Partei JABLoko. In anderen Regionen lag die Jawlinski-Partei weit hinter den beiden führenden Parteien zurück. Einzelne Kandidaten der LDPR, von "Vaterland" und regionalen Bewegungen (in Kaliningrad zum Beispiel die Bewegung "Bernsteinregion") zogen ebenfalls in die Gebietsparlamente ein. Im Gebiet Kaluga war die "Einheit" nicht aktiv. Die KPdRF konnte einige Kandidaten durchsetzen, allerdings wesentlich weniger, als erwartet worden war, so daß die örtlichen Beobachter das Ergebnis als Mißerfolg der Kommunisten werteten.

Die russischen Wähler sind größtenteils konservativ und wählen die Kommunisten oder die Vertreter der "Partei der Macht"
 
Die KPdRF ist vor allem aktiv in Regionen, die einen hohen ländlichen Bevölkerungsanteil aufweisen. Auffällig ist, daß die regionalen Gliederungen der KPdRF häufig ziemlich gespannte Beziehungen zu den Gouverneuren pflegen, die sie selbst an die Macht gebracht haben. Aufschlußreich ist diesbezüglich die Situation im Gebiet Tula. Die linken Ansichten von Gouverneur Wassili Starodubzew sind allgemein bekannt. Aber in seiner Amtsführung muß er gezwungenermaßen zwischen den Genossen der KPdRF, den ansässigen Privatunternehmen und Moskau manövrieren, was bei den "unversöhnlichen" Kommunisten großes Unbehagen auslöst. So gewannen die Anhänger von Starodubzew bei den Wahlen in die Gebietsduma gerade ein Drittel der Sitze, obwohl das Parlament insgesamt von der KPdRF kontrolliert wird.

Die regionalen Parteienkoalitionen entsprechen nicht immer der Konstellation, die im Zentrum und insbesondere in der Staatsduma herrscht. Dies erklärt sich vor allem aus den bestehenden persönlichen Beziehungen. In den Provinzstädten sind die Parteiaktivisten eine Art "Berufsschicht". Man kennt einander bereits seit langem, viele wechselten von einer Partei in eine andere. Sämtliche Aktivitäten sind weniger ideologisch geprägt als vielmehr von persönlichen Beziehungen abhängig. An der Organisation der Wahlkämpfe in der Provinz beteiligen sich zudem häufig "bestellte professionelle Wahlkampfteams" aus Moskau, die stets bestrebt sind, um ihren "Kunden" - den Kandidaten - die unterschiedlichsten politischen Kräfte zu sammeln. So entstehen mitunter recht bizarre parteiübergreifende Kombinationen, die auf föderaler Ebene unvorstellbar wären.

Wer sind die Sieger?

Zeichnen wir nach den Statistiken das Durchschnittsbild des regionalen Abgeordneten 2000, kommt dabei ein Mann mittleren Alters heraus, der zumeist Direktor oder Geschäftsführer eines staatlichen oder privaten Unternehmens ist, in überdurchschnittlichem Wohlstand lebt, gemäßigt konservative Ansichten vertritt, kein Parteimitglied ist und sehr gute Beziehungen zur Verwaltung pflegt.

Was die soziale Zusammensetzung eines Regionalparlaments betrifft, finden wir im Gebiet Tula das "typische Parlament". Tula ist eine große Region im zentralen Landesteil Rußlands. Zwanzig der insgesamt vierzig Volksabgeordneten sind Direktoren mittlerer staatlicher und privater Unternehmen, sechs Abgeordnete sind Parteifunktionäre und waren Mitglieder des früheren Parlaments, drei Abgeordnete sind Beamte der Gebiets- und Stadtverwaltung, zwei Parlamentarier arbeiten in Wohlfahrtsorganisationen, und ein Abgeordneter ist FSB-Offizier. Unerwartet hoch fiel der Anteil der Personen aus, die im medizinischen und Bildungsbereich beschäftigt sind: In die Gebietsduma Tula wurden fünf Angehörige dieser Berufssparten gewählt. Die Kaliningrader Duma ist etwas stärker politisiert: Dort wurden der Bürgermeister des Gebietszentrums, der ehemalige Gouverneur des Gebiets, der ehemalige Vorsitzende der Gebietsduma und der Herausgeber der größten Oppositionszeitung ins Parlament gewählt.

Dieser kurze Überblick zeigt anschaulich, daß sich die Stimmung in der Gesellschaft verändert hat. Noch vor sieben Jahren waren die Wähler stark politisiert. So siegten bei Wahlen entsprechend Journalisten, die zu politischen Themen arbeiteten, Juristen, die durch aufsehenerregende politische Skandale einen Namen bekamen, Wirtschaftswissenschaftler, die neue Reformkonzepte vorlegten. Heute hingegen gehen die Wähler nicht mehr von ideologischen, sondern ausgesprochen praktischen Überlegungen aus und stimmen für diejenigen, mit denen ihr Alltag direkt zusammenhängt. Das ist eben der Direktor des Unternehmens, in dem sie beschäftigt sind, oder der Chefarzt des Krankenhauses, in dem sie seit Jahren behandelt werden. Dieser Trend belegt möglicherweise, daß sich die Gesellschaft, die vom ideologischen Kampf und der übermäßigen Politisierung müde ist, stabilisiert hat.
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Gouverneurswahlen in Rußland im Jahre 2000

von
Galina Tschinarichina, Politologin am EPIzentr, Moskau


Die russische Bevölkerung ist konservativ, sie wählt den Amtsinhaber aus dem gleichen Grund aus dem sie überhaupt zur Wahl geht
 
Im Herbst und Winter 2000 fanden in vielen Föderationssubjekten Gouverneurswahlen statt. In den meisten stellten sich die Amtsinhaber zur Wiederwahl und konnten sich auch durchsetzen. Dies wurde durch den starken Einfluß der Verwaltungen begünstigt. Wichtig für den Wahlsieg war die Unterstützung des Kreml und ob es einem Kandidaten gelang, möglichst viele Parteien des gesamten politischen Spektrums um sich zu sammeln.
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Krise in der rechtsliberalen Opposition

von
Wladimir Petuchow, Direktor des Russischen Unabhängigen Instituts für soziale und Nationalitätenkonflikte, Moskau


Die russische Bevölkerung hat große Schwierigkeiten die Opposition zu Wladimir Putin zu indentifizieren oder zu sagen, ob eine Opposition im Lande überhaupt notwendig ist
 
Noch vor wenigen Jahren war in Rußland alles ganz einfach und klar: Unter Jelzin baute sich ein klanmäßig strukturiertes Oligarchensystem auf, das den großen Kuchen unter sich verteilte, während die korrupte und ineffiziente staatliche Verwaltung der zweiten und dritten Ebene versuchte, die Krümel aufzuschnappen. Die Bevölkerung war in gewissem Sinne in ihrer negativen Haltung gegenüber der Macht geeint und rief nach einer starken Opposition. Heute ist es schwierig, überhaupt eine Opposition zu Präsident Putin auszumachen. Die rechtsliberale Opposition befindet sich politisch und ideologisch in der Krise, die Anhänger der KPdRF fühlen sich zwar subjektiv in der Opposition, die Partei wird aber mehr und mehr Teil des Putinschen Systems. Eine reale Opposition zu diesem Machtkonglomerat wird eher als linkszentristische Kraft entstehen, der es gelingt, die Fragen Demokratie, Staatlichkeit und soziale Gerechtigkeit politisch zusammenzuführen.
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