Gesellschaft

Vielfalt der Konfessionen [ Abstract ]
Über die Hochzeitssitten der Krimtataren [ Abstract ]
Sewastopol - die offene Heldenstadt [ Abstract ]
Die Krim - reich gesegnet mit Heilkräften [ Abstract ]
Erzählung eines Simferopolers [ Abstract ]
Kertsch, die älteste Stadt der Ukraine [ Abstract ]
Odessa hat seine Toleranz nicht verloren [ Abstract ]
Die Odessiten - wer sind sie? [ Abstract ]
Eine Reise nach Jalta [ Volltext ]

Vielfalt der Konfessionen
von
Wladimir Maliborski, Komitee für Fragen der Religion, Simferopol


Sowohl die Moslems als auch die orthodoxen Christen zelebrieren heute wieder ihre Gottesdienste auf der Krim
Auf dem relativ kleinen Territorium der Krim gab es über die Jahrhunderte eine Vielzahl unterschiedlichster Religionen, die die Gesellschaft tief durchdrangen und das Leben und die Entwicklung der Region bestimmten und prägten. Neben den großen Weltreligionen wie Islam und Christentum existieren nationale Religionen wie die der Karaimer und der Krimtschaken. Seit der Unabhängigkeit hat eine Vielzahl neuer Glaubensrichtungen und Sekten ihre Missionstätigkeit auf der Halbinsel aufgenommen.
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Über die Hochzeitssitten der Krimtataren

von
Elmira Nalbantowa, Sozentin am Lehrstuhl für Musikpädagogik der Staatlichen Indsutriell-Pädagogischen Hochschule der Krim, Simferopol


Die Krimtataren haben sich über die Jahrhunderte und trotz des Einflusses des moslemischen Glaubens auf ihre Kultur und das gesellschaftliche Leben insgesamt einige Besonderheiten ihrer nationalen Kultur sowie ihrer Sitten und Bräuche bewahrt. So wurden die Regeln der Scharia nie vollkommen adaptiert, was sich insbesondere an den Vorschriften der Eheschließung zeigen läßt. Die Eheschließung wird auch heute noch als das wichtigste Ereignis im Leben junger Krimtataren gesehen, und so wird ihrer Vorbereitung, der Verlobungszeit und schließlich der Hochzeit selbst viel Aufmerksamkeit gewidmet.
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Sewastopol - die offene Heldenstadt

von
Wladimir Gurkowitsch, Mitarbeiter des Komitees für den Schutz und die Nutzung der Geschichts- und Kulturdenkmäler der Krim, Simferopol


Sewastopol ist eine geschichtsträchtige Stadt, egal ob es um das 4. Jahrhundert vor, um die Verteidigung der Stadt im zweiten Weltkrieg oder heute um die Schwarzmeerflotte geht
 
Sewastopol ist heute eine offene Stadt, denn eine Sondererlaubnis für den Besuch der einstigen geschlossenen Stadt wird nicht mehr verlangt. Und offen geben sich auch die Sewastopoler, die noch heute stolz auf ihre ruhmreiche Geschichte sind und diese hoch im Gedenken halten. An jeder Ecke trifft man auf Geschichte, und beinahe jeder Sewastopoler wird Ihnen gerne von den kleinen und großen Geheimnissen der Heldenstadt berichten.
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Die Krim - reich gesegnet mit Heilkräften

von
Wladimir Korobow, freier Journalist, Moskau


Die bekanntesten Kurorte der Krim liegen an der südwestlichen Küste. Es sind Jalta, Aluschta, Gursuf, Simeis, und Foros
 
Von der Krim heißt es oft, daß sie ein einziger Kurort sei, und die vielfältigen Möglichkeiten der Erholung und des Kurens bestätigen dies. Das gesunde Klima, das Meer, der Heilschlamm der Salzseen, die Mineralquellen und die gute Luft sind die natürlichen Heilkräfte. Hinzu kommen die medizinischen Kureinrichtungen in den Küsten-gebieten. In den letzten Jahren ging der Tourismus auf der Halbinsel stetig zurück. Dies hat jedoch vornehmlich damit zu tun, daß sich die wirtschaftliche Situation in den GUS-Ländern insgesamt nicht gut entwickelt und ein großer Teil der Menschen schlicht nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten hat, sich einen Erholungsurlaub zu leisten.
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Erzählung eines Simferopolers

von
Wladimir Gurkowitsch, Mitarbeiter des Komitees für den Schutz und die Nutzung der Geschichts- und Kulturdenkmäler der Krim, Simferopol


Die Krimhauptstadt Simferopol wird auch das "Einfahrtstor zum Kurort Krim" genannt. Für viele Besucher ist die Stadt lediglich Durchgangsstation auf dem Weg an die Süd- oder Ostküste mit ihren bizarren Felslandschaften, zu den Bademetropolen Jalta, Aluschta, Feodossija und Gursuf. Tatsächlich aber blickt auch Simferopol nicht nur auf eine lange und reiche Geschichte zurück, sondern bietet ihren Gästen auch eine ganz eigene Atmosphäre, die es zu genießen gilt.
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Kertsch, die älteste Stadt der Ukraine

von
Viktor Sinko, Archäologe, Kertsch


An den steil abfallenden Küsten des Kimmerischen Bosporus (heute: Meeresarm Kertsch), der das Schwarze und das Asowsche Meer verbindet, liegt die älteste Stadt der Ukraine - Kertsch. Hier kreuzen sich Land- und Seewege. Die hohen Küsten des Bosporus sind heute Heimat für die Nachkommen der vielen Stämme, die dieses Gebiet über die Jahrhunderte besiedelten. Die dürregefährdete, mit Beifuß bewachsene Steppe wechselt mit Feldern und wird durch niedrige, hügelige Bergketten, alte Wälle und Grabhügelketten unterbrochen, Salzsümpfe und -seen, mit Schilf bewachsene und in der Sommerhitze austrocknende Flüßchen prägen das Landschaftsbild. Heute erstreckt sich hier über 52 Kilometer entlang der Schwarzmeerküste die Industriestadt Kertsch.
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Odessa hat seine Toleranz nicht verloren

von
Jelena Karakina, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Staatlichen Literaturmuseums, Odessa


Odessa gehört zu den Städten, die quasi bereits bei ihrer Gründung multinational waren. Denn Odessa ist eine künstliche Stadt, weil sie unter den russischen Zaren, die einen Handelshafen am Schwarzen Meer brauchten, per Erlaß gegründet wurde und von Anfang an Angehörige unterschiedlichster Nationalitäten mit vielerlei Vergünstigungen und Privilegien angelockt wurden. Das Zusammenleben der Nationalitäten gestaltete sich die meiste Zeit produktiv, selbst die Judenpogrome erreichten nie solche Ausmaße wie in anderen Städten des Russischen Reiches. Ein Prüfstein war das 20. Jahrhundert, das nicht nur von außen aufoktroyierte Pogrome, sondern auch die Deportation ganzer Völker brachte. Doch hat sich trotzdem der odessitische, von Toleranz geprägte Geist in der Schwarzmeermetropole erhalten.
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Die Odessiten - wer sind sie?

von
Lilia Beloussowa, Mitarbeiterin des Staatlichen Archivs des Gebiets Odessa, Odessal


Das Wort "Odessit" löst ein Schmunzeln aus. Man erwartet irgend etwas Ungewöhnliches. Der echte Odessit mit seiner unerklärlichen Ausstrahlung erfüllt diese Erwartung in der Regel. Kontaktfreude, Humor, Unternehmungslust und gesunder Egoismus gelten als Merkmale des Odessiten. Dieses Bild bliebe jedoch unvollständig, würde man nicht versuchen, das Phänomen zu verstehen.
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Eine Reise nach Jalta

von
Ina Tkatsch, freie Journalistin, Moskau


Von Petersburg komme ich, Stunden um Stunden im Zug - umgeben von kreischenden, übermütigen, später vor öbermüdung quengelnden, greinenden Kindern, völlig überforderten Müttern, herrischen Babuschkas. Wie eigenartig, daß Männer in dieser unendlich scheinenden Bahnfahrtgeschichte fast nicht vorkommen. Die saßen abgeschottet in einem eigenen Waggon, wo sie Tee tranken und Zigaretten rauchten. Auch der ein oder andere Wodka und ich weiß nicht wieviele Flaschen Bier kreisten.

Nun, als alleinreisende Frau konnte ich mich schlecht in ein Eckchen dieses "MännercoupÇs" setzen, und so kehre ich nach meinem Gang zur Toilette seufzend in den Trubel aus Kindern, Frauen, Piroggen, klebrigen Säften, in der Hitze zerfließenden Snikkers und aufgerissenen, dann stehengelassenen Joghurtbechern zurück, kauere mich auf meinen Sitz, die Zeitung vor der Nase.

Wie anstrengend waren die letzten Wochen doch gewesen, aber dann hatte sich wie ein kleiner funkelnder Stern am Himmel die kurze Erholung im Süden abgezeichnet. Im Süden, auf der Krim, die lebt vom Meer, von der Sonne, von sonnensatten Trauben und der Leichtigkeit dahinfliegender Tage.

Zehn Jahre zuvor hätte ich mich nicht einfach in den Zug Richtung Krim gesetzt. Jeder, wirklich jeder Platz in den Sanatorien und Hotels war penibel genau vergeben. Damals galt, daß der Arbeiter am Fließband mit Frau und zwei Kindern - und manchmal auch durch die ein oder andere Mauschelei - seinen Platz im besten Sanatorium bekam - in Jalta, während ich es immer nur nach Sudak geschafft hatte. In ein schmales Zimmer, das man zudem mit einer Zimmergenossin teilen mußte. Zwei kurze, enge Betten, ein Schrank, keine Bügel, aber immerhin ein Schreibtisch mit Stuhl an der Tür. Der Kühlschrank auf dem Flur jaulte, stöhnte und ächzte. Er barg nicht nur unsere Milch, sondern Lebensmittel von bis zu fünf Familien, deren Zimmer auf dem gleichen Flur lagen. Und dann je zwei Toiletten, zwei Becken mit Spiegeln, zwei Duschen für zehn Zimmer. Ja, das war damals, vor zehn, elf Jahren noch. Zu Sowjetzeiten, der Urlaub auf der Krim auf Bezugsschein. Und stets kam man nicht dahin, wo man hin wollte.

Vorbei, vorbei. Heute setze ich mich einfach in den Zug, und mein Ziel ist nicht Jewpatorija und nicht Feodossija, und auch nicht Sudak oder Kertsch, das häßliche. Nein, ich will nach Jalta, dem Modebadeort damals wie heute.

Jalta ist ohne Zweifel der Modebadeort der Krim, doch abseits der Uferpromenade lassen sich viele stille Gassen entdecken
 
Aus dem Chaos von Gepäckbergen und verzweifelt sie durchsuchenden Familien oder Reisegruppen am Bahnhof in Simferopol tauche ich schnell auf. Mit meiner leichten Reisetasche für fünf Tage winde ich mich durch die an- und abschwellenden Wellen von Ankommenden und Abreisenden. Nur einen Moment verschwende ich darauf, mein Transportmittel weiter in den Süden zu wählen. Immerhin, ich habe die Wahl: Der Trolleybus ist unbequem, langsam, dafür aber am exotischsten, billigsten, und zudem fährt er regelmäßig im Zwanzig-Minuten-Takt. Der öberlandbus ist bequem, nicht teuer, und man hat obendrein eine Sitzplatzgarantie. Wenn auch in längeren Intervallen, rollen die großen roten Busse vom Bahnhofsvorplatz. Ich zögere kurz - und dann doch. Ein Ticket kann ich für 17.30 Uhr bekommen. Gerade eine Stunde Wartezeit.

Natürlich, das marschroutka fährt eher ab. Ein moderner Ford Transit wird nur kurze Zeit später die Krimhauptstadt verlassen. Aber eng ist es, und viel Gepäck will mitgenommen werden, da hat man dann die ein oder andere fremde Reisetasche zwischen den Beinen oder gar auf dem Schoß. Zudem würde es, statt der umgerechnet zwei DM für den öberlandbus, beinahe sieben DM kosten. Und dann, dichte Gardinen vor den kleinen Fenstern. Ich wende mich ab.

Ich könnte natürlich auch geradezu verschwenderische zwanzig DM für ein Taxi ausgeben. Doch auch hier wird zugeladen, und möglichst viele Fahrgäste werden angeworben. Man wartet vielleicht lange, bezahlt zwanzig DM und sitzt mit zwei oder drei Fahrgästen in einem engen Lada. Da bleibe ich doch beim öberlandbus, bekomme noch einen Fensterplatz. Manchmal überwältigt mich die Umsichtigkeit dieser Fahrkartenverkäuferinnen geradezu, dann, wenn sie mich fürsorglich nach vorn setzen, fern vom Pulk entnervter Mütter, Väter, Kinder. Bekannte Landschaft zieht vorbei. Es ist nicht mein erster Aufenthalt auf der Krim und nicht meine erste Tour nach Jalta. Aber die erste, die ich unorganisiert erlebe.

Ich werde in Jalta ankommen und über eine öbernachtungsmöglichkeit diskutieren. Mit Frauen, die seit der Unabhängigkeit nichts anderes getan haben, als mit den ankommenden Massen aus den Simferopoler Bussen über die Bedingungen einer privaten Unterkunft zu verhandeln. Sie werden direkt verstehen, daß ich eine ruhige, nicht unbedingt mit heißem Wasser von morgens bis abends ausgestattete, dafür aber eine saubere Wohnung mit Toilette haben will. Sie taxieren die Massen von Besuchern, ordnen sie ein, spielen sie sich gegenseitig zu. Aber ich werde finden, was ich suche, jetzt, am Ende der Saison ohnehin.

Und tatsächlich finde ich, was ich brauche. Eine Wohnung im Zentrum, aber ruhig, mit Wasser den ganzen Tag und heißem Wasser morgens von 7.00 Uhr bis 9.00 Uhr und abends von 18.00 bis 20.00 Uhr. Es bedurfte keiner langen Diskussion. Mein Vertrauen in die Fähigkeit dieser Wohnungsvermittlerinnen, die Menschen einzuordnen, ist unermeßlich und wird durch nichts erschüttert. Nur zwei Minuten von der Uferpromenade, aber in einer schmalen Seitenstraße, sogar verkehrsberuhigt, und mit Holzveranda und Küche.

Und dann: Sehen Sie, es gibt in Jalta einen Ort - unsäglich häßlich im Prinzip, aber göttlich wegen des Ausblicks. Ich nehme die Seilbahn hinauf auf diesen häßlichen Hügel mit seiner Attrappe eines griechischen Tempels - aus Plastik ist die, und an der ein oder anderen Stelle wölbt sich der Plastikbezug, gibt den Blick frei auf häßliches Gerippe. Aber das ist im Rücken. Ich kann hier oben einen eiskalten weißen Rkatseteli bestellen, mich im Plastikstuhl zurücklehnen, und langsam, ganz langsam mit der überwältigenden Schönheit des Blicks auf die Bucht von Jalta, des überlaufenen, pulsierenden Jalta, dessen Herzschläge, wenn überhaupt, nur als kleine Schwingungen hier oben ankommen, dessen Licht so schön verschwimmt unten in der Bucht, fällt die Anspannung ab. Und die leise heraufklingenden Melodien, die auf dem Kreuzer "Odessa" gespielt werden, lassen sich genießen - die Lichter der Uferpromenade, der Schleier, der sich über das Wasser legt. Und muß mich nicht kümmern um die Wolkenwand, die sich im Rücken aufbaut und drohend über dem halben Ort stehenbleibt, wäh-rend die Bucht im leichten seichten Nebel schwimmt.

Und ich beginne Pläne für meine wenigen Tage zu machen. Natürlich zu Fuß zum Weißen Palast nach Liwadija will ich, und zum Woronzow-Palast auch. So schön ist es, wenn Nebel fällt und man durch dichte Nebelschwaden durch den steil zum Meer abfallenden Park watet. Und wenn ich Glück habe, wird in dem kleinen Dorf Liwadija auf der größten Orgel der Ukraine vielleicht gerade ein Konzert gegeben. Dann war ich lange nicht mehr in der Kirche auf dem Berg, und auch die armenische Kirche soll für Besucher wieder geöffnet sein. Ich kann mich auch einfach mit einem Buch in das kleine Restaurant halb am Berg zurückziehen, einen Borschtsch essen, in den Himmel schauen und vorbeieilenden Federwolken nachträumen, warme Luft an nackter Haut. Oder ich setze mich einfach auf die warmen Steine am Lenindenkmal. Eigenartig, wie leer der Platz heute ist, nur fünfzig Meter weiter wogt sonnenhungrige Touristenmasse die Promenade auf und ab. Auch könnte ich mich den alten/neuen Goldkettchenträgern anschließen, ins "Oreanda" gehen und für viel Geld einen "Cappucino" trinken, obwohl dieser so teuer ist wie meine öbernachtung und ein Abendessen noch dazu. Aber für das Gefühl, bedient und umsorgt zu werden, bezahlt man eben. Andererseits kann ich auch einfach schwimmen gehen. In diesem unendlichen, klaren, grünen Schwarzmeerwasser hinter Jalta. Und sanft wird das Wasser schwerelosen Körper wiegen, das warme, das zarte. Und ich nehme Leben mit zurück in den Alltag nach Moskau, den schwierigen, beschwerlichen.
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